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Seit Juni 2006 liegt der Entwurf des Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz (ElGVG) vor.
Hinter der sperrigen Bezeichnung verbirgt sich im
wesentlichen das Telemediengesetz, mit dem die Regelungen im Bereich der Tele- und der Mediendienste
vereinheitlicht werden (vgl. 20. TB Nr. 13.7). Die Datenschutzvorschriften, die bislang noch im Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG) bzw. im Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) der Länder festgelegt sind, wurden
integriert. Wie vorgesehen, hat es dabei im Wesentlichen
keine materiell-rechtlichen Änderungen gegeben. Ich begrüße, dass endlich eine Rechtsunsicherheit beseitigt
wird: In der Begründung zum Gesetzesentwurf wird klargestellt, dass für Internet-Zugangsprovider, Anbieter von
Internet-Telefonie und E-Mail-Diensten ausschließlich
das Telekommunikationsdatenschutzrecht gilt. Damit
wird auch die bisweilen strittig diskutierte Frage meiner
Zuständigkeit für diese Bereiche eindeutig beantwortet.
Allerdings soll die bereits bestehende Befugnis der Diensteanbieter ausgeweitet werden, Daten ihrer Kunden für
Strafverfolgungszwecke an die zuständigen Stellen herauszugeben. Zukünftig dürfen auch Anfragen der Verfassungschutzbehörden und Nachrichtendienste zu deren
Aufgabenerfüllung beantwortet werden. Im Vorgriff auf
die Umsetzung der IP-Enforcement-Richtlinie (vgl.
Nr. 6.5) wird die Herausgabebefugnis ebenfalls zur
Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erteilt.
Diese Aufweichung der Zweckbindung halte ich für sehr
bedenklich, da zu befürchten ist, dass dies nur der Anfang
einer Entwicklung ist, die immer mehr Begehrlichkeiten
weckt und die Daten der Nutzer für immer weitere Dritte
verfügbar macht.
Zum Schutz der Empfänger elektronischer Werbung wurden im Sinne einer größeren Transparenz Regelungen
aufgenommen, die das Verschleiern oder Verheimlichen
des Absenders und des kommerziellen Charakters einer
Werbe-E-Mail verbieten und ein Zuwiderhandeln mit einem Bußgeld belegen. Die tägliche Spam-Flut wird dadurch wohl kaum gemindert, befinden sich doch die
meisten und „dreistesten Spammer“ außerhalb des Geltungsbereichs deutscher Gesetze und außer Reichweite
der zuständigen Behörden (vgl. 20. TB Nr. 13.8). Die
vormals „Anti-Spam-Gesetz“ genannten Regelungen stellen sich nun – realistischer – als Vorschriften für Firmen
dar, die ganz legal elektronische Werbung versenden wollen.
Zu meinem Bedauern wurden Selbstregulierungsmodelle,
wie z. B. Auditierungsverfahren oder Gütesiegel, in den
Gesetzentwurf nicht aufgenommen. Nach wie vor halte
ich angesichts der immer größer und damit unübersichtlicher werdenden Angebote im Internet solche Modelle,
die neben den staatlichen Datenschutzaufsichtsstrukturen
bestehen könnten, für nutzbringend: Sie erleichtern dem
Nutzer die Auswahl der Angebote, stärken die Eigenverantwortung der Wirtschaft, stellen die Qualität der Angebote hinsichtlich der gesetzlichen Anforderungen und der
notwendigen Transparenz sicher und verbessern letztendlich auch den Datenschutz.

10.10

Suchmaschinen: Wohl und Wehe einer
hilfreichen Erfindung

Will man den Datenschutz bei Suchmaschinen verbessern, hilft nur eine weltweite Aktion.
Ohne Suchmaschinen würde sich wohl kaum einer im Internet zurechtfinden. Soviel zu der positiven Seite. Die
Kehrseite der Medaille: Die Inanspruchnahme führt zu erheblichen Gefährdungen der Privatsphäre der Nutzer, da
die Anbieter von Suchmaschinen die Möglichkeit haben,
Interessensprofile aufzuzeichnen. Wenn sie dann mit den
Daten z. B. aus Anmeldeformularen zusammengeführt
werden, ist eine Personalisierung der Profile ein Leichtes.
Und bei Forenbeiträgen, die unter einer persönlichen
E-Mail-Adresse eingestellt werden, ist die Zusammenführung gar nicht mehr erforderlich.
In der letzten Zeit haben sich viele Nutzer von Suchmaschinen bei mir beschwert und gebeten, Abhilfe zu schaffen. Bei deutschen Suchmaschinenbetreibern ist das einfach, aber sobald es um im Ausland ansässige Anbieter
geht, wird es ungleich schwerer. Daher kann nur eine
weltweite konzertierte Aktion so viel Druck auf die Suchmaschinenanbieter ausüben, dass ein nachhaltiger Erfolg
gewährleistet ist.
Die 28. Internationale Konferenz der Datenschutzbeauftragten fordert in einer Entschließung (vgl. Anlage 7) die
Anbieter von Suchmaschinen auf, die grundlegenden
Regeln des Datenschutzes zu respektieren, wie sie in der
nationalen Gesetzgebung vieler Länder sowie auch in internationalen Richtlinien und Verträgen (z. B. den Richtlinien der Vereinten Nationen und der OECD zum Datenschutz, der Konvention 108 des Europarates, dem APEC
Regelungsrahmen zum Datenschutz und den Datenschutzrichtlinien der Europäischen Union) niedergelegt
sind, und gegebenenfalls ihre Praktiken entsprechend zu
ändern (s. Kasten zu Nr. 10.10).
10.11

Sechstes und siebtes Symposium in
Bonn

Beide Symposien wurden erneut mit großem Interesse
aufgenommen.
Mit jeweils rund 100 Teilnehmern wurde das sechste
Symposium „Datenschutz in der Telekommunikation und
bei Telediensten“ am 22. November 2005 und das siebte
Symposium „Datenschutz bei der Telekommunikation
und im Internet“ am 14. November 2006 durchgeführt. Es
hat sich inzwischen als Wissensforum für die Teilnehmer
aus Wirtschaft und Datenschutzbehörden etabliert.
Anlässlich des sechsten Symposiums habe ich u. a. die
Weiterentwicklung des traditionellen Fernmeldegeheimnisses zu einem allgemeinen Mediennutzungsgeheimnis
gefordert. Denn das Fernmeldegeheimnis hat angesichts
der Digitalisierung und der Vernetzung immer weiterer
Lebensbereiche heute größere Bedeutung denn je und ist
Gradmesser unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Eine Informations- und Wissensgesellschaft kann
sich nur demokratisch ausbilden, wenn gerade auch die

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BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006

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