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umfangreiche Telefon- und Internetdaten auf Vorrat für
die Strafverfolgungsbehörden zu speichern, ohne dass ein
konkreter Verdacht oder Hinweise auf eine bevorstehende
Gefahr vorliegen müssen. Umzusetzen in nationales
Recht ist die Richtlinie bis zum 15. September 2007; für
den Bereich des Internet-Zugangs, E-Mail- und
VoIP-Dienste gilt eine verlängerte Frist bis zum
15. März 2009.
Mit der Vorratsdatenspeicherung ist ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre und die Vertraulichkeit der Kommunikation unverdächtiger Bürgerinnen und Bürger verbunden. Hiervon sind besonders sensible Informationen
betroffen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen. Deshalb hat es auch im Laufe des Verfahrens grundsätzliche
Bedenken und Kritik von Datenschützern, Bürgerrechtlern, aber auch Telekommunikationsdiensteanbietern u. a.
gegeben.
Aus Sicht des Datenschutzes lassen sich die wichtigsten
Forderungen wie folgt zusammenfassen:
– Der Speicherungszeitraum muss sich an der derzeit
geltenden Höchstfrist für Abrechnungszwecke orientieren, d.h. nach deutschem Recht 6 Monate (§ 97
Abs. 3 Satz 3 TKG). Diese Frist von 6 Monaten sieht
die Richtlinie als Mindestspeicherfrist vor. Nach der
Richtlinie können die EU-Mitgliedstaaten im nationalen Recht eine Vorratsdatenspeicherung für maximal
2 Jahre vorsehen.
– Der Zweck der Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung des Terrorismus und schwerer Kriminalität muss
klar definiert und – wie von der Richtlinie vorgegeben –
auf diese Bereiche begrenzt werden.
– Die gespeicherten Daten dürfen nur den staatlichen
Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden. Private Dritte, aber auch andere staatliche Stellen,
dürfen keinen Zugang zu den Daten haben.

Zur Zeit wird auf Antrag Irlands und der Slowakei vom
Europäischen Gerichtshof überprüft, ob mit der gewählten Rechtsgrundlage die Vorratsdatenspeicherung überhaupt eingeführt werden kann. Sollte der EuGH analog
zur Frage der Rechtsgrundlage bei der Übermittlung von
Flugpassagierdaten an die USA entscheiden, d. h. die
Richtlinie „kassieren“, so wird möglicherweise wieder
– trotz Scheiterns mangels Einstimmigkeit beim ersten
Versuch im Jahre 2004 – der „alte“ Weg eingeschlagen
und versucht werden, die europaweite Vorratsdatenspeicherung über einen Rahmenbeschluss durchzusetzen.
Die Bundesrepublik hat die Richtlinie umzusetzen, solange der EuGH die Europarechtswidrigkeit nicht feststellt. Daher hat das BMJ im November 2006 einen Entwurf für ein „Gesetz zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmethoden sowie zur Umsetzung der
Richtlinie 2006/24/EG“ vorgelegt (s. dazu auch Nr. 6.1).
Mit diesem Artikelgesetzes soll auch die Vorratsdatenspeicherung im Telekommunikationsgesetz vorgeschrieben werden. Leider blieb meine Forderung bisher unberücksichtigt, die Provider zu verpflichten, die für
Strafverfolgungszwecke bevorrateten Daten getrennt von
denen zu speichern, die für die eigenen Geschäftszwecke,
d.h. für die Erbringung und Abrechnung der Dienstleistung benötigt werden. Ebenfalls ist eine Beschränkung
der Verwendungszwecke auf die Verfolgung von Terrorismus und schweren Straftaten nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Die sehr vage Formulierung „mittels Telekommunikation begangene Straftaten“ geht weit darüber
hinaus und wird auch durch eine ergänzende Abwägungsklausel nicht hinreichend kompensiert. Hinsichtlich der
Speicherungsfrist wurde das von der Richtlinie vorgegebene Minimum von 6 Monaten übernommen.

– Die von der Speicherungspflicht betroffenen Datenarten müssen festgelegt und eng begrenzt werden.

Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Das Bundesverfassungsgericht wird sich voraussichtlich in wenigen
Monaten mit der Frage der Vereinbarkeit der Vorratsdatenspeicherung mit dem Grundgesetz zu beschäftigen haben, da Bürgerrechtsorganisationen Verfassungsbeschwerden angekündigt haben.

– Grundsätzlich sollte in jedem Einzelfall ein Richter
über die Herausgabe der Daten entscheiden.

10.2

– Die Möglichkeit zur anonymen E-Mail-Kommunikation ist auch weiterhin zu gewährleisten. Eine Vorratsdatenspeicherung von Namen, Anschrift und Geburtsdatum des Nutzers sowie seiner E-Mail-Adresse muss
deshalb unterbleiben.

Wer ein Handy in der Tasche hat, dessen Aufenthalt kann
zumindest ungefähr ermittelt werden. Dies ergibt sich aus
der Funktionsweise moderner Mobilfunknetze, die sich
aus einer Vielzahl von Funkzellen zusammensetzen. Der
Durchmesser der Funkzellen liegt zwischen 200 Metern
und 50 Kilometern. Damit ein mobiles Gerät erreichbar
ist, muss dem Netz bekannt sein, in welcher Funkzelle es
sich gerade befindet. Deshalb senden eingeschaltete Mobilteile laufend „Aktivmeldungen“. Aufgrund der Aktivmeldungen („location update“) wird der Standort des jeweiligen Teilnehmers ermittelt und an zentraler Stelle im
Netz gespeichert. Sofern eine Verbindung zu Stande
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006

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– Die Entstehung von Datenpools, die auch für andere
als die genannten Zwecke dienen könnten, ist zu vermeiden. Die auf Vorrat gespeicherten Daten sollten
daher in separaten Systemen verarbeitet werden. Dabei müssen technische und organisatorische Maßnahmen vorgesehen werden, die die Datensicherheit gewährleisten.

Handyortungsdienste können darüber informieren, wo
sich die Freunde oder die Service-Techniker eines Betriebs aufhalten – oder aber der mutmaßlich untreue Ehemann.

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– Die Daten dürfen weder von den Telekommunikations- bzw. den Internetdiensteanbietern noch von anderen Stellen für weitere, etwa wirtschaftliche Zwecke
genutzt werden.

Neue Geschäftsmodelle durch Location
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