Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
– 87 –
langfristig an ein TK-Unternehmen binden und wechseln
zu einem Prepaid-Card-Angebot. Der Anteil dieser Verträge liegt bei einigen TK-Unternehmen mittlerweile bei
mehr als 50 Prozent.
Die Prepaid-Card-Verträge zeichnen sich dadurch aus,
dass der Kunde die Telekommunikationsdienstleistungen
im voraus bezahlt. Zudem verzichtet das TK-Unternehmen auf die im Mobilfunkbereich sonst übliche Vereinbarung einer bestimmten Vertragslaufzeit, die in der Regel
zwei Jahre beträgt. Da mit der Prepaid-Card nur im Rahmen des eingezahlten Guthabens telefoniert werden kann,
besteht beispielsweise bei Jugendlichen mit geringem
Einkommen nicht die Gefahr, die Telefonrechnung nicht
bezahlen zu können. Dies macht die Prepaid-Card gerade
für diesen Nutzerkreis so attraktiv. Ist die Prepaid-Card
abtelefoniert, kann sie wieder aufgeladen werden. Aufgrund dieses Zahlungsverfahrens treten die TK-Unternehmen den Kunden gegenüber nicht in Vorleistung und
benötigen daher auch keine persönlichen Angaben ihrer
Kunden wie Name, Adresse oder Bankverbindung. Um
den Verwaltungsaufwand bei der Abwicklung der Verträge zu reduzieren, würden sie gerne auf die Erhebung
und Speicherung dieser Daten verzichten.
Aufgrund entsprechender verbindlicher Vorgaben seitens
der RegTP ist ihnen dies aber nicht möglich. Die TK-Unternehmen sind vielmehr verpflichtet, die Identität des
Käufers mittels Personaldokument festzustellen und den
Namen, die Adresse sowie die Rufnummer des Kunden zu
erheben. Diese Daten haben sie in ihren Kundendateien zu
speichern und sie gemäß § 90 TKG für einen unmittelbaren Zugriff durch die RegTP bereitzustellen. Damit soll die
RegTP in die Lage versetzt werden, bei Anfragen von
Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden den abfrageberechtigten Stellen Auskünfte über die dort gespeicherten
Daten geben zu können. Diese Daten werden beispielsweise im Vorfeld von TK-Überwachungsmaßnahmen
nachgefragt, um ausreichende Informationen für den
Antrag auf Erlass eines richterlichen Überwachungsbeschlusses nach den Vorschriften der Strafprozessordnung
zu erhalten (zu meinen ersten Erfahrungen mit dem Auskunftsverfahren nach § 90 TKG s. u. Nr. 10.3.2).
Gegen die Vorgaben der RegTP haben einige TK-Unternehmen vor dem Verwaltungsgericht Köln geklagt. Mit
Urteil vom 22. September 2000 hat das Verwaltungsgericht Köln den Klagen stattgegeben. Danach sind die Anbieter von Mobilfunkdiensten nicht verpflichtet, bei Verträgen über Prepaid-Cards den Namen, die Adresse und
die Rufnummer des Kunden zu erheben und in ihren Kundendateien für einen Abruf durch die RegTP zu speichern.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln ist jedoch noch
nicht rechtskräftig, da die RegTP beim Oberwaltungsgericht Münster Berufung hiergegen eingelegt hat. Zudem hat
das Verwaltungsgericht Köln den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Auflage der RegTP abgelehnt. Es bleibt daher derzeit beim bisherigen Zustand, wonach die Diensteanbieter
im Rahmen der Prepaid-Card-Verträge Bestandsdaten ihrer
Kunden zu erheben und zu speichern haben.
Drucksache 14/55559
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln begrüße ich, da
das Gericht damit eine anonyme Nutzung von Telekommunikationsdiensten zugelassen hat, wie ich sie seit langem fordere. Insbesondere bei der Novellierung der Telekommunikations-Datenschutzverordnung habe ich mich
der Bundesregierung gegenüber für eine entsprechende
Regelung eingesetzt (s. o. Nr. 10.1.2). Diese hat sich jedoch nicht entschließen können, die TK-Unternehmen zu
verpflichten, ihren Kunden einen anonymen Zugang zu
öffentlichen Telekommunikationsdienstleistungen anzubieten. Nach Auffassung von Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden werden Prepaid-Cards auch im kriminellen Umfeld genutzt. Würde man eine anonyme
Nutzung von Prepaid-Card-Produkten zulassen, würde
dies nach Meinung der Bundesregierung die Arbeit von
Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden behindern.
Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang darauf,
dass es für die Teledienste bereits eine entsprechende datenschutzgerechte Regelung gibt. Nach § 4 Abs. 1
TDDSG sind die Telediensteanbieter verpflichtet, die Inanspruchnahme von Telediensten und ihre Bezahlung
anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen. Auf europäischer Ebene hat sich dieser Gedanke auch für den
Bereich der Telekommunikation durchgesetzt. So sieht
die EG-TK-Datenschutzrichtlinie vom 15. Dezember
1997 in Erwägungsgrund 18 die Einführung eines anonymen Zugangs zu öffentlichen Telekommunikationsdiensten vor. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf
das weitere Zusammenwachsen von Informations- und
Kommunikationsmedien wird die Bundesregierung ihre
Haltung zu überprüfen haben.
10.3.2 Verfahrensdarstellung und erste
Erfahrungen beim Wirkbetrieb
Das automatisierte Auskunftsverfahren nach § 90 TKG
wurde Anfang des Jahres 2000 in Betrieb genommen. Die
RegTP bearbeitet derzeit wöchentlich etwa 15 000 bis
20 000 Anfragen von den abfragenden Behörden. Die
Netzbetreiber und Diensteanbieter werden Zug um Zug in
das Verfahren aufgenommen.
Die Anfragen der berechtigten Stellen werden elektronisch mittels Datenübertragung (File Transfer), per Fax
(gesichert und ungesichert) oder per Brief an die RegTP
gesandt. Anfragen per File Transfer mit der höchsten Prioritätsstufe werden innerhalb von 3 Minuten beantwortet.
Anfragen per Brief oder ungesichertem Fax werden nur in
der niedrigsten Prioritätsstufe bearbeitet und mit einem
Brief beantwortet. Jede Anfrage per Brief und Fax wird
am Computer erfasst, während Anfragen mit File Transfer in Stichproben geprüft und automatisch über gesicherte Verbindungen an die Diensteanbieter übermittelt
werden. Alle Telekommunikationsdiensteanbieter, die
ihren Kunden eine Rufnummer zuteilen, müssen für die
RegTP für diesen Zweck einen Rechner mit den Kundendateien und den dazugehörenden Einrichtungen wie
Verschlüsselungsgeräte bereitstellen. Aufgrund der
rechtlichen und technischen Vorgaben dürfen und können
die Unternehmen nicht Kenntnis von den Abfragen erhalten.