Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
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§ 88 TKG sah in der Fassung von 1996 noch vor, dass
alle Betreiber von Telekommunikationsanlagen die für
die Durchführung von Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung notwendigen technischen Einrichtungen auf eigene Kosten vorzuhalten haben. Diese Vorschrift wurde ein Jahr später im Rahmen des TKGBegleitgesetzes vom 17.Dezember 1997 dahingehend
geändert, dass die Betreiber von Telekommunikationsanlagen in bestimmten Fällen nach Maßgabe der noch zu erlassenden Rechtsverordnung von dieser Verpflichtung befreit werden können. Diese Ausnahme kann nach § 88
Abs. 2 S. 2 Nr. 3 TKG aus grundlegenden technischen Erwägungen oder aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gegeben sein. Die genauen Einzelheiten sollten in der Verordnung geregelt werden. Außerdem kann von der
Erfüllung einzelner technischer Anforderungen bei den
Telekommunikationsanlagen abgesehen werden, bei denen ein technisch begründeter Ausnahmefall vorliegt
(§ 88 Abs. 2 S. 3 TKG).
Bereits im Mai 1998 wurde der erste Entwurf für eine
„Verordnung über die technische und organisatorische
Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen in der Telekommunikation (Telekommunikations-Überwachungsverordnung – TKÜV)” vorgelegt. Diese sollte die FÜV ersetzen. Der Entwurf wurde in der Öffentlichkeit sehr
kontrovers diskutiert und daraufhin vom federführenden
BMWi kurzfristig zurückgezogen (s. 17. TB Nr. 10.1.5.1).
Das Verordnungsverfahren wurde für eine erneute Überarbeitung gestoppt. Grund für die Proteste insbesondere
auf Seiten der Telekommunikationsbranche waren die im
Verordnungsentwurf nur in sehr begrenztem Umfang vorgesehenen Ausnahmen von der Verpflichtung der Unternehmen, die Überwachungstechnik vorzuhalten (s.
17. TB Nr. 10.1.5.1). Es wäre wichtig und richtig gewesen, im Rahmen der Verordnung die Möglichkeit zu nutzen, großzügige Ausnahmeregelungen zu schaffen.
Im Frühjahr 1999 wurden dann vom BMWi die „Eckpunkte für den Regelungsrahmen der Rechtsverordnung
nach § 88 TKG” vorgelegt. Dadurch sollten zunächst die
wichtigsten Bereiche geklärt werden, die nach den Vorgaben des Gesetzes im Rahmen der Verordnung geregelt
werden sollen. Gleichzeitig hat das BMWi auf die materiellen Rechtsgrundlagen zur Überwachung der Telekommunikation hingewiesen und betont, dass es die materielle
Rechtslage durch die technische Verordnung nicht ändern
könne.
Aus dem Eckpunktepapier ergab sich zunächst, dass man
die Ausnahmemöglichkeiten, die das Gesetz bietet, in
größerem Umfang nutzen wollte, als dies im Vorentwurf
aus dem Jahr 1998 der Fall gewesen war. In einer Auflistung, die den Kreis der Verpflichteten und den Umfang
der Pflichten aufzählte, hat das BMWi angedeutet, dass
nur die öffentlichen Telekommunikationsdiensteanbieter,
die ihre Leistungen jedermann gegenüber anbieten, verpflichtet sind, alle technischen Einrichtungen zur Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen ständig vorzuhalten.
Anfang 2001 wurde der Öffentlichkeit ein neuer Entwurf
einer TKÜV zur Diskussion vorgestellt. So gehören zum
Drucksache 14/5555
Kreis der Verpflichteten nur die Unternehmen, die gewerblich Telekommunikationsdienstleistungen für die
Öffentlichkeit anbieten (§ 3 Nr. 19 TKG). Die Betreiber
sog. Nebenstellenanlagen, unternehmensinterner Telekommunikationsanlagen und Corporate Networks gehören nicht zu dieser Gruppe. Diese müssen nach bisheriger
Planung nur im möglicherweise eintretenden Einzelfall
einer Abhörmaßnahme bestimmte, vor allem sicherheitsrelevante Grundsätze einhalten. Mit diesem ersten Schritt
wurde ein wesentliches Anliegen des Datenschutzes
berücksichtigt.
10.2
Telefonüberwachung in Deutschland
Das Thema der Telefonüberwachung war auch in den letzten Jahren von besonderem Interesse für die Öffentlichkeit, sowohl was die Überwachung durch deutsche Behörden betrifft (s. Nr. 6.4.2), als auch die mögliche
Überwachung durch Geheimdienste aus dem Ausland
(s. Nr. 16.4). Dabei fiel auf, dass die Zahl der Anordnungen für Überwachungsmaßnahmen in den letzten Jahren
in Deutschland kontinuierlich gestiegen ist. Umso wichtiger ist es für den Schutz des Fernmeldegeheimnisses, dass
die technischen Verfahren, die hier eingesetzt werden, sicher sind und von mir kontrolliert werden kann, wie die
vorgelegten Beschlüsse von den Telekommunikationsunternehmen ausgeführt werden.
10.2.1 Verfahren, die der Telekommunikationsüberwachung dienen, müssen sicher sein!
Die gemäß Art. 10 GG garantierte Unverletzlichkeit des
Fernmeldegeheimnisses verlangt bei der Durchführung
der Telekommunikationsüberwachung eine sorgfältige
Behandlung durch alle Beteiligten und eine sichere Übermittlung ausschließlich an die dazu berechtigte Stelle. Um
dieser grundlegenden Anforderung gerecht zu werden,
wurde für die Überwachung der Telekommunikation in
Telekommunikationsnetzen zwischen den Telekommunikationsunternehmen und den Bedarfsträgern der Telekommunikationsüberwachung eine geschlossene Benutzergruppe (GBG) eingerichtet. Damit sollte verhindert
werden, dass über die berechtigten Stellen hinaus Dritte
von dem abgehörten Telekommunikationsvorgang Kenntnis erhalten. Gleichzeitig werden die in die GBG einzubeziehenden Anschlüsse der berechtigten Stellen vor
Fehlbelegungen (Anrufblockaden) geschützt. Nach einer
Übergangsfrist sollten bis zum 1. Januar 2000 alle Anschlüsse der GBG für Außenverkehre gesperrt werden.
Im letzten Quartal 1999 wurde mir bekannt, dass ein Mobilfunkunternehmen wegen Verzögerungen beim Systemlieferanten nicht termingerecht die an die GBG gestellten
funktionalen Sicherheitsanforderungen erfüllen konnte.
Da durch diese „Lücke im Gesamtsystem“ das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses nicht umfassend
gewährleistet werden konnte, habe ich mich dafür eingesetzt, dass die RegTP nachdrücklich auf das Mobilfunkunternehmen einwirkt, damit dieses die Sicherheitskriterien der GBG schnellstmöglich in vollem Umfange
erfüllt. Bis zur Realisierung dieser Forderung galt es, eine