Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– 221 –

Drucksache 14/5555
Anlage 18 (zu Nr. 34 dort Nr. 8)

Entschließung der 58. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 07./08. Oktober 1999 zu:
Eckpunkte der deutschen Kryptopolitik – ein Schritt in die richtige Richtung

Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis zählt zu den
traditionellen und wichtigsten Garantien einer freiheitlichen Verfassung. Artikel 10 Grundgesetz gewährleistet
deshalb die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch einen privaten, vor Dritten verborgenen Austausch von
Nachrichten, Gedanken und Informationen. Deshalb darf
nur in Ausnahmefällen im überwiegenden Allgemeininteresse auf gesetzlicher Grundlage in dieses Grundrecht
eingegriffen werden.
Im Zuge der Privatisierung der Telekom hat der Staat
sein Post- und Fernmeldemonopol verloren, so dass zum
Grundrechtsschutz die bloße Abwehr unrechtmäßiger
staatlicher Eingriffe nicht mehr genügt. Darüber hinaus
bestehen die Möglichkeiten der staatlichen Datenschutzkontrolle in offenen Netzen nur in eingeschränktem
Maße. Der Schutz personenbezogener Daten während der
Verarbeitung und Übertragung ist häufig nicht ausreichend gewährleistet. Deshalb sind ergänzende staatliche
Maßnahmen zum Schutz Aller gegen neugierige Dritte
(z. B. Systembetreiber, Unternehmen mit wirtschaftlichen
Interessen, Hacker und Hackerinnen, ausländische Geheimdienste) erforderlich.
Die Privatsphäre lässt sich jedoch nur mit Rechtsvorschriften nicht ausreichend schützen. Neben bestehenden
Ge- und Verboten sind wirksame technische Vorkehrungen nötig. Systemdatenschutz und datenschutzfreundliche Technologien sind unverzichtbar. Den Bürgerinnen
und Bürgern müssen effektive Instrumente zum Selbstschutz an die Hand gegeben werden. Der Datenverschlüsselung kommt deshalb in einem modernen Datenschutzkonzept eine herausragende Bedeutung zu.
Bislang musste befürchtet werden, dass auf Betreiben der
staatlichen Sicherheitsbehörden in Deutschland das Recht
auf Verschlüsselung eingeschränkt würde. Jetzt jedoch
hat die Bundesregierung mit dem Eckpunktepapier vom
2. Juni 1999 die Diskussion auf eine völlig neue Basis gestellt. Richtigerweise wird darin die Kryptographie als
„eine entscheidende Voraussetzung für den Datenschutz
der Bürger“ besonders hervorgehoben.
Die Position der Bundesregierung, die freie Verfügbarkeit
von Verschlüsselungsprodukten nicht einschränken zu
wollen, wird von den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder ausdrücklich begrüßt. Damit wurde
ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan,
dem jedoch weitere folgen müssen. Der im Sinne des Artikels 10 des Grundgesetzes legitime und grundrechtlich

geschützte Anspruch Aller auf unbeobachtete Telekommunikation und auf den Schutz ihrer personenbezogenen
Daten sollte von der Bundesregierung noch stärker unterstützt werden. Um der Bedeutung geschützter Telekommunikation unter den Bedingungen der Informationsgesellschaft gerecht zu werden, sind konkrete Maßnahmen
notwendig. Vorrangig sind zu nennen:
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Aktive Förderung des Einsatzes von Verschlüsselungstechniken in der öffentlichen Verwaltung, bei Privatpersonen und in Wirtschaftsunternehmen,
Erbringung von Serviceleistungen, die den Gebrauch
von effektiven Verschlüsselungsprogrammen für jedermann erleichtern,
Maßnahmen zum besonderen Schutz der Telekommunikation von Berufsgruppen, die besonderen Verschwiegenheitspflichten unterliegen (z. B. Ärzte und
Ärztinnen, Anwälte und Anwältinnen, Psychologen
und Psychologinnen),
Unterstützung von Wirtschaftsunternehmen beim
Schutz ihrer geschäftlichen Telekommunikation,
Förderung einer neutralen Bewertung von Verschlüsselungsprodukten mit dem Ziel, den Verbrauchern
Empfehlungen für ihren Gebrauch zu geben,
Förderung der Entwicklung europäischer Verschlüsselungsprodukte mit offengelegten Algorithmen.

Vor diesem Hintergrund fordern die Datenschutzbeauftragten die öffentlichen Stellen auf, mit gutem Beispiel
voranzugehen. Sie sollten vorbehaltlos die technischen
Möglichkeiten des Einsatzes kryptographischer Verfahren zum Schutz personenbezogener Daten prüfen und derartige Lösungen häufiger als bisher einsetzen. Künftig
muss Kryptographie der Standard in der Informationsund Kommunikationstechnik werden, auf deren Einsatz
nur dann verzichtet wird, wenn wichtige Gründe dagegen
sprechen.
Hersteller von Produkten der Informations- und Telekommunikationstechnik werden aufgefordert, die guten Voraussetzungen zur Entwicklung von Verschlüsselungsprodukten in Deutschland zu nutzen, um sichere, leicht
bedienbare und interoperable Produkte zu entwickeln und
den Anwendern kostengünstig anzubieten. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bieten
hierfür ihre Kooperation an.

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