Drucksache 14/5555
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Recht endlich bald bevor. Angesichts der versäumten termingerechten Umsetzung der Richtlinie hat sich die Bundesregierung dazu entschlossen, in zwei Stufen vorzugehen. In einer ersten Stufe sollen so rasch wie möglich alle
unumgänglichen gesetzgeberischen Anpassungen an die
Richtlinie und verschiedene darüber hinausgehende Regelungen erfolgen. Hierzu zählen auch die von meinen
Länderkollegen und mir geforderten Modernisierungsbestrebungen, wie die Regelungen zur Videoüberwachung
und Chipkarte, die Einführung eines Datenschutzaudits,
die Verpflichtung auf Datensparsamkeit bis hin zur Datenvermeidung auch durch Anonymisierung und Pseudonymisierung. Der von der Bundesregierung beschlossene
Gesetzentwurf stellt einen erfreulichen Fortschritt gegenüber den früheren Entwürfen dar. Insofern habe ich es
nicht beklagt, dass der in der 13. Legislaturperiode erarbeitete Referentenentwurf, der über eine enge Umsetzung
der EG-Datenschutzrichtlinie nicht hinausgegangen
wäre, nicht in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht
wurde.
USA konnten im vergangenen Jahr Fortschritte auf der
Grundlage der EG-Datenschutzrichtlinie nach langwierigen Verhandlungen über die Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten erzielt werden. Im Ergebnis konnte ein akzeptables Datenschutzniveau ausgehandelt werden. Es kommt jetzt darauf an, die in den
„Safe-Harbor-Principles“ aufgeführten Grundsätze mit
Leben zu füllen. Die EG-Datenschutzrichtlinie mit ihren
tragenden Grundsätzen für den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung ihrer Daten kann damit auch in
Drittstaaten Vorbildwirkung für den Datenschutz erlangen (s. Nr. 2.2.2).
Die Fortentwicklung des Datenschutzes kann und soll mit
dem Abschluss dieses Gesetzesvorhabens zum allgemeinen Datenschutz aber keinesfalls zum Stillstand kommen.
Wegen des hohen Novellierungsbedarfs sollen über diesen ersten Teil der Reform hinaus in einer zweiten Stufe
die Arbeiten an einer umfassenden Neukonzeption des
Datenschutzrechts noch in der laufenden Legislaturperiode aufgegriffen und weitergeführt werden. Das Ziel, das
Gesetz in der zweiten Stufe der Novellierung zu modernisieren, zu vereinfachen und seine Lesbarkeit zu erhöhen,
begrüße ich sehr. Auch teile ich die Auffassung, dass noch
im Laufe dieser Legislaturperiode das gesamte bereichsspezifische Datenschutzrecht daraufhin zu überprüfen
sein wird, ob über die bereits vorgenommenen Änderungen hinaus weitere Anpassungen an die Richtlinie geboten sind, und zwar auch, soweit keine europarechtliche
Anpassungspflicht besteht – also außerhalb der Gemeinschaftskompetenzen. Denn nur so kann vermieden werden, dass es auf Dauer zweierlei Datenschutzrecht mit unterschiedlich hohem Schutzniveau gibt (s. Nr. 2.1).
1.3
Wer heute das Datenschutzrecht modernisieren möchte,
darf nicht die Augen davor verschließen, dass ein wirksamer Datenschutz nicht an den eigenen Grenzen Halt machen kann. Der elektronische Geschäftsverkehr und das
Internet sind Stichworte hierfür. Ich halte es deshalb
für einen Meilenstein in der Geschichte des Datenschutzes und für einen wichtigen Erfolg, dass die Charta
der Grundrechte der Europäischen Union auch eine
Grundlage für den Schutz personenbezogener Daten geschaffen hat. Der Rang des Datenschutzes als einer der
Grundfreiheiten des Menschen wird damit auch international aufgewertet (s. Nr. 2.4).
Auch im internationalen Datenverkehr der Informationsgesellschaft wird es zunehmend auf einen effektiven Datenschutz ankommen. Dieser Prozess wird weiteren Aufschwung dadurch erhalten, dass die Europäische
Kommission gegenüber immer weiteren Drittstaaten feststellt, dass diese ein angemessenes Datenschutzniveau im
Sinne der Richtlinie gewährleisten. Auch gegenüber den
Auch die Selbstregulierung wird künftig, insbesondere im
Unternehmensbereich, eine wichtige Rolle spielen müssen. Vor dem Hintergrund gesetzlicher Vorgaben wird
hierdurch die Möglichkeit eröffnet, branchenspezifische
Regelungen zu treffen und ggf. weltweit für das jeweilige
Unternehmen verbindlich zu machen.
Telefonüberwachung
– Spirale ohne Ende? –
In den letzten Jahren ist die Zahl der Telefonüberwachungen in Deutschland alarmierend angestiegen. In den letzten fünf Jahren wurden folgende Überwachungsanordnungen erlassen: 4 674 (1995), 6 428 (1996), 7 776
(1997), 9 802 (1998), 12 651 (1999). Gegenüber 1995
sind damit die Anordnungen um über 170 % angestiegen,
für 1999 ist eine Steigerung von fast 30 % gegenüber dem
Vorjahr festzustellen.
Die Gründe hierfür liegen sicherlich auch darin, dass die
Möglichkeiten, nach § 100 a StPO Überwachungsmaßnahmen anzuordnen, im Laufe der letzten Jahre immer
weiter ausgedehnt worden sind, und dass die Anzahl der
Handys stark gestiegen ist. Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis im Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung sind
grundsätzlich zu akzeptieren; es stellt sich jedoch die
Frage, in welchem Umfang dies erfolgen soll und wie effektiv die damit betrauten Stellen mit diesem Instrument
zur Gewährleistung des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs umgehen. Empirische Untersuchungen hierzu
oder gar Evaluierungen liegen bisher nicht vor.
Den Anstieg der Telefonüberwachung beobachte ich mit
großer Sorge. Seit Jahren appelliere ich an die Strafverfolgungsbehörden, dieses Mittel sparsam einzusetzen.
Um sicherzustellen, dass Telefonüberwachungen nur
durchgeführt werden, wenn sie dringend notwendig sind,
und nicht als „Standardmaßnahme“ eingesetzt werden, ist
der Gesetzgeber gefragt. Für die Fälle der akustischen
Wohnraumüberwachung hat der Gesetzgeber erfreulicherweise Berichtspflichten der Staatsanwaltschaft gegenüber der obersten Justizbehörde und der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag auferlegt.
Entsprechende Berichtspflichten halte ich auch für den
Bereich der Telefonüberwachung für dringend erforderlich. Der Gesetzgeber sollte darüber informiert sein, wie
die Telefonüberwachung in der Praxis wirkt, welche Erfolge sie gebracht hat und was mit den nicht mehr für das