Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

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Damit ist zwar der unabhängige Status der GKI im Rahmen
der dritten Säule der Union gesichert, gleichwohl betont die
Kontrollinstanz, dass auch ihre Stellungnahmen und Empfehlungen von jedem Schengen-Staat, auch den neu hinzutretenden, zu berücksichtigen sind. Die logistische Unterstützung der GKI durch das Generalsekretariat des
EU-Rates verläuft bisher zufriedenstellend; ihre eigenständige Funktion erscheint gesichert.
Des weiteren hat die GKI im Jahre 1999 ihren dritten und
im Herbst 2000 ihren vierten Tätigkeitsbericht vorgestellt,
in denen über die Aktivitäten des Kontrollorgans bis
einschließlich Februar 2000 berichtet wird. Unter anderem hat eine Arbeitsgruppe der GKI im Frühjahr 1999 unter Beteiligung meiner Dienststelle einen weiteren Kontrollbesuch beim C.SIS in Straßburg durchgeführt. Dabei
wurde festgestellt, dass die Empfehlungen der GKI
aufgrund ihres Kontrollbesuchs vom Herbst 1996
(vgl. 16. TB Nr. 11.6.2) nur teilweise umgesetzt waren.
Die zuständigen Schengen-Gremien sind der Auffassung,
dass sich einige Vorschläge der GKI mit der aktuellen
Schengen-Konfiguration des SIS nicht verwirklichen lassen und verweisen auf eine neue Generation des SIS, die
in einigen Jahren das geltende System, das bereits mehrfach modifiziert wurde, als SIS II ablösen soll. Die datenschutzrechtliche Begleitung dieses Projekts wird voraussichtlich eines der Schwerpunktthemen der GKI in den
kommenden Jahren sein.
Das SIS, an das derzeit zehn Mitgliedstaaten angeschlossen sind, soll im Jahr 2001 aufgrund von Ratsbeschlüssen
erneut erweitert werden. Die technischen Voraussetzungen wurden mit der Inbetriebnahme des SIS I+ geschaffen. Diesmal geht es um die nordischen Länder Dänemark, Finnland, Schweden, Norwegen und Island. Dabei
werden die beiden letzteren Staaten, da sie nicht der EU
angehören, lediglich als assoziierte Mitglieder am System
teilnehmen. Neben den technischen und organisatorischen Voraussetzungen setzt ein Anschluss an das SIS voraus, dass in den Beitrittsstaaten ein angemessener Datenschutzstandard gemäß Art. 117 SDÜ gewährleistet ist.
Zu diesem Zweck ist die GKI von der Art. 36-Gruppe beteiligt worden. Das Kontrollgremium hat nach Anhörung
von Datenschutzexperten der Beitrittsstaaten keine
grundlegenden datenschutzrechtlichen Bedenken mehr
gegen den Beitritt der nordischen Länder, nachdem festgestellt werden konnte, dass alle Beitrittskandidaten über
eine unabhängige Datenschutzkontrolle verfügen und
über den Schengen-Besitzstand (s. o.) auch den der GKI
anerkennen.
Gegen Ende des Berichtszeitraums sind in den Ratsgremien Initiativen gestartet worden, um das SIS gemäß den
Anforderungen der Benutzer fortzuentwickeln. Ich habe
mich von Anfang an gegen überzogene Lösungsvorschläge ausgesprochen, die den Persönlichkeitsschutz
von Betroffenen übermäßig einschränken. Ich werde auch
in der GKI darauf drängen, dass solchen Vorschlägen energisch entgegengetreten wird. Dies bedeutet nicht, dass
sich der Datenschutz gegen jegliche Verbesserungsvorschläge zum SIS wendet. Aber auch hier muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Forderungen der Si-

Drucksache 14/5555

cherheitsbehörden und den schutzwürdigen Interessen der
betroffenen Bürger gefunden werden.
11.10.2 Bilaterale Zusammenarbeit mit anderen
nationalen Kontrollinstanzen außerhalb
des Rahmens der GKI
Im Berichtszeitraum hat sich eine intensive bilaterale Zusammenarbeit mit den Datenschutzkontrollinstanzen einiger anderer Schengen-Staaten gemäß Art. 114 Abs. 2 SDÜ
entwickelt. Dies beruht darauf, dass ein Betroffener seine
Rechte, insbesondere das Recht auf Auskunft, nach seiner
Wahl in jedem Vertragsstaat ausüben kann. Wenn deutsche Stellen Ausschreibungen im SIS veranlasst haben,
werde ich von ausländischen Partnerbehörden um
Klärung möglicher Speicherungen beim deutschen
SIRENE-Büro (BKA) ersucht. Nach einer vorläufigen
Antwort des BKA, die Aufschluss über eine Ausschreibung im SIS gibt, beteilige ich den jeweils zuständigen
Landesbeauftragten für den Datenschutz zwecks datenschutzrechtlicher Kontrolle derjenigen Stelle (Ausländerbehörde), die für die Ausschreibung verantwortlich ist.
Nach Eingang des Ergebnisses der Kontrolle informiere
ich die ersuchende ausländische Datenschutzkontrollinstanz über das Ergebnis der Kontrolle, damit sie den Betroffenen unterrichten kann.
11.10.3 Probleme bei der Anwendung des
Schengener Durchführungsübereinkommens
Bei den vorgenannten Kontrollen haben sich für mich interessante Erkenntnisse ergeben:
n

n

Deutsche Stellen, zumeist Ausländerbehörden, haben
Ende 2000 mehr als 300 000 Ausschreibungen zur Einreiseverweigerung für Drittausländer nach Art. 96 SDÜ
vorgehalten. Ein nicht unerheblicher Anteil dieser Ausschreibungen erfolgte zu Unrecht, weil er nicht den
Kriterien des Art. 96 Abs. 3 SDÜ entsprach. Die Ausschreibungen wären daher zu löschen. Dies gilt für
diejenigen Fälle, in denen ein Asylbewerber nach
rechtskräftiger Ablehnung seines Asylbegehrens untergetaucht ist, denn es handelt sich dann um Ausschreibungen, die lediglich der Aufenthaltsermittlung dienen. Die Erfassung in nationalen Verfahren, z. B.
INPOL oder AZR, bleibt jedoch hiervon unberührt.
Eine Erfassung nach Art. 96 Abs. 3 SDÜ ist dann nur
zulässig, wenn ein Drittausländer im Sinne von § 8
Abs. 2 Satz 1 AuslG ausgewiesen, zurückgewiesen
oder abgeschoben wurde. Das BMI teilt diese Auffassung. Das Bundesverwaltungsamt hat Anfang des Jahres 2000 den Ausschreibungsbestand nach Art. 96 SDÜ
ausgewertet und zahlreiche unzulässige Ausschreibungen festgestellt. Das BMI hat daraufhin die Länder aufgefordert, die festgestellte Praxis abzustellen.
Die grundsätzlich drei Jahre betragende Ausschreibungsfrist nach Art. 112 SDÜ wird vielfach überschritten. Ich habe zwar in Anbetracht des Massenverfahrens
vor Jahren gegen eine pauschale Verlängerung der

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