Staat grundsätzlich keine Kenntnis nehmen. Das Grundrecht will die Bedingungen
einer freien Telekommunikation aufrechterhalten. Die Nutzung des Kommunikationsmediums soll in allem vertraulich möglich sein (vgl. BVerfGE 100, 313 <358>). Mit
der grundrechtlichen Verbürgung der Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses
soll vermieden werden, dass der Meinungs- und Informationsaustausch mittels Telekommunikationsanlagen deswegen unterbleibt oder nach Form und Inhalt verändert
verläuft, weil die Beteiligten damit rechnen müssen, dass staatliche Stellen sich in
die Kommunikation einschalten und Kenntnisse über die Kommunikationsbeziehungen oder Kommunikationsinhalte gewinnen (vgl. BVerfGE 100, 313 <359>). Dabei
erfasst Art. 10 Abs. 1 GG sämtliche, mit Hilfe der Telekommunikationstechniken erfolgenden Übermittlungen von Informationen, unabhängig davon, wer Betreiber der
Übertragungs- und Vermittlungseinrichtungen ist (vgl. BVerfGE 107, 299 <322>).
Ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis liegt vor, wenn staatliche Stellen sich ohne
Zustimmung der Beteiligten Kenntnis von dem Inhalt oder den Umständen eines fernmeldetechnisch vermittelten Kommunikationsvorgangs verschaffen (vgl. BVerfGE
100, 313 <366>; 107, 299 <313>).
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2. Mit der Neufassung des Straftatenkatalogs des § 100a Abs. 2 StPO durch das
Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung wurden 19 Straftatbestände gestrichen und mehr als 30 Straftatbestände neu aufgenommen. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Klassifizierung der neu aufgenommenen
Delikte
als
Katalogtaten
für
Maßnahmen
der
Telekommunikationsüberwachung, deren legitimen Zweck der Gesetzgeber darin
sieht, den Strafverfolgungsbehörden die notwendigen Mittel zur Verfolgung schwerer
und schwer ermittelbarer Kriminalität an die Hand zu geben (BTDrucks 16/5846,
S. 40), bestehen mit Blick auf Art. 10 GG nicht. Insbesondere sind Verstöße gegen
das Bestimmtheitsgebot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht auszumachen.
200
a) Das Gesetz erstreckt sich nach der Intention des Gesetzgebers auf alle neu aufgenommenen Straftatbestände, die sämtlich schwere und schwer ermittelbare Kriminalität betreffen (siehe zu den einzelnen, neu durch das Gesetz zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung in § 100a Abs. 2 StPO aufgenommenen Straftatbeständen BTDrucks 16/5846, S. 41 ff.; nach Erhebung der Verfassungsbeschwerden im Jahr 2008 hat der Gesetzgeber den Straftatenkatalog des § 100a Abs. 2 StPO
noch um § 89a StGB - durch Art. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten vom 30. Juli 2009, BGBl I
S. 2437, um § 184c Abs. 3 StGB - durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Umsetzung
des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der
sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie vom 31. Oktober
2008, BGBl I S. 2149 und um § 19 Abs. 3 Satz 2 Grundstoffüberwachungsgesetz
<GÜG> durch Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Grundstoffüberwachungsrechts vom 11. März 2008, BGBl I S. 306, ergänzt).
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