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2.1.12 Beeinträchtigung freier Diskussion als Ausschlussgrund?
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat über den Zugang zu Protokollen der Sitzungen des
Bund-Länder-Gesprächskreises „So genannte Sekten und Psychogruppen“ entschieden.
Der Träger der Glaubensgemeinschaft „Universelles Leben“ beantragte im Jahr 2010 beim Bundesministerium
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG)
zu den dort über die Glaubensgemeinschaft vorhandenen Unterlagen des Bund-Länder-Gesprächskreises „So
genannte Sekten und Psychogruppen“ (Gesprächskreis). Das Ministerium lehnte dies im Wesentlichen mit der
Begründung ab, die begehrte Information sei bereits Gegenstand eines inhaltsgleichen verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens gegen das mit der Führung der Geschäftsstelle des Gesprächskreises betraute Bundesverwaltungsamt.
Das VG Berlin sah hier keinen tragfähigen Grund für den Ausschluss des Informationszuganges. Auch das
OVG vertrat im Berufungsverfahren die Ansicht, dem Anspruch auf Informationszugang zu den Sitzungsprotokollen des Gesprächskreises stehe keiner der Ausschlusstatbestände des IFG entgegen. Das Ministerium könne
sich auch nicht darauf berufen, die Informationsgewährung habe nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines anderen Gerichtsverfahrens (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.05.2014, Az. OVG 12 B 4.12,
Rdn. 19 - juris).
Kasten zu Nr. 2.1.12
„Nach § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden
der Information u. a. nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens haben
kann. Der Ausschlussgrund dient dem Schutz der Rechtspflege gegen Beeinträchtigungen durch das Bekanntwerden verfahrensrelevanter Informationen. Neben der Unabhängigkeit der Gerichte soll der ordnungsgemäße
Ablauf des gerichtlichen Verfahrens vor Nachteilen durch die Veröffentlichung einer amtlichen Information
geschützt werden (BVerwG, Beschluss vom 09.11.2000 - 7 B 43.10 - juris Rdn. 12; Urteil vom 28.10.1999
- 7 C 32.98 - BVerwGE 110, 17, zitiert nach juris Rdn. 21 zu § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG a. F.). Die Vorschrift schützt
dagegen nicht die Erfolgsaussichten der öffentlichen Hand vor Gericht; der Schutz verfahrens- oder
materiellrechtlicher Positionen einer Behörde wird vom Anwendungsbereich des Ausnahmetatbestandes nicht
erfasst. BVerwG, Beschluss vom 09.11.2000, a. a. O.; OVG Hamburg, Beschluss vom 16.04.2012
- 5 Bf 241/10.Z - juris Rdn. 17; Scherzberg/Solka, in: Fluck/Theuer, Informationsfreiheitsrecht, Stand: Oktober
2012, § 3 Rdn. 1
Das OVG stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum wortgleichen § 7 Abs. 1
Nr. 2 UIG a. F.
Auch der Ausschlussgrund des § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG greife nicht, der einen Anspruch auf Informationszugang ausschließt, „wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden“. Dies habe das
BMFSFJ jedoch nicht plausibel dargelegt.
Wie das Gericht jedoch betont, handele es sich um eine Einzelfallentscheidung, für andere Anträge auf Informationszugang könne mit Blick auf die behördliche Beratungspraxis eine abweichende Entscheidung angezeigt
sein.
Offen lassen konnte das Gericht indessen die interessante Frage, ob der Ausnahmetatbestand des § 3 Nummer 3
Buchstabe b IFG nur die Beratungen umfasst, die der direkten Entscheidungsvorbereitung dienen, oder auch
Dauerkonsultationen ohne absehbares Ende und ohne konkrete Vorbereitung einer Entscheidung.

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