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Der Kläger sah hier eine Vereitelung seiner Exklusivstory und damit eine Verletzung der staatlichen Neutralitätspflicht. Seine „exklusive Recherche“ sei „nichtexklusiv“ gemacht worden. Er sah seinen Aktualitätsvorsprung verletzt, der essentiell sei, um in der schnelllebigen Pressewelt den Leser durch neue und einzigartige
Berichte binden zu können. Zudem sei die Garantie der Pressefreiheit betroffen, da mit der gleichzeitigen Bescheidung die Recherche als ein Wesenselement der Pressefreiheit verloren zu gehen drohe.
Das VG Berlin wies die Klage im Ergebnis ab, da die zeitgleiche Übersendung der für die beiden Artikel vom
5. bzw. 6. August 2012 wesentlichen Dokumente an beide Journalisten rechtmäßig gewesen sei (VG Berlin,
Urteil vom 12.03.2015, Az. 27 K 183.12, Rdn. 17 ff. - juris).
Kasten zu Nr. 2.1.8
„Das behördliche Handeln gegenüber Trägern der Pressefreiheit wie dem Kläger und dem Beigeladenen (dem
Verlag des 2. Journalisten) ist zu messen an Art. 3 i. V. m. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Auf dieser Rechtsgrundlage
besteht für den Staat im Förderungsbereich eine inhaltliche Neutralit��tspflicht. Auf Seiten der Träger der Pressefreiheit korrespondiert damit ein subjektives Abwehrrecht gegen die mit Förderungsmaßnahmen etwa verbundenen inhaltslenkenden Wirkungen und eine Anspruch auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb.
BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989, 1 BvR 727/84, Rdn. 28; (...)“, zit. vom VG Berlin, a. a. O., Rdn. 18
VG Berlin, a. a. O., Rdn. 19
„Dieser Maßstab ist auch an das von der Beklagten durchgeführte Verfahren anzulegen. Dabei kommt es für
seine Anwendbarkeit nicht darauf an, dass die Beklagte ihre Entscheidungen ersichtlich auf der Grundlage von
§ 5 BArchG und nicht nach spezifisch presserechtlichen Vorschriften getroffen hat. § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 8
BArchG eröffnet jedermann auf Antrag das Recht, Archivgut des Bundes aus einer mehr als 30 Jahre zurückliegenden Zeit zu nutzen, soweit durch Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist. (...) Die Beteiligung zweier
Träger des Grundrechts der Pressefreiheit, die hier zu den vom Gesetzeszweck umfassten publizistischen Zwecken tätig werden, führt dazu, dass sich das behördliche Handeln in diesem Fall auch an der presserechtlichen
Neutralitätspflicht des Staates messen lassen muss“.
Wie das VG Berlin betont, würde eine Benachrichtigung konkurrierender Journalisten über jeweils gestellte
presserechtliche Auskunftsansprüche die presserechtliche Neutralitätspflicht verletzen (a. a. O., Rdn. 21).
Im entschiedenen Fall habe der Kläger einen Aktualitätsvorsprung von einem Tag gehabt, da die am 30.07.2012
an beide Journalisten versandten 14 Dokumente ausweislich des Rückscheines dem Anwalt des Klägers bereits
einen Tag früher zugestellt worden seien.
Ein Rücksichtnahmegebot im Sinne einer verzögerten bzw. gestaffelten Übermittlung der beantragten Informationen an den zweiten Journalisten zugunsten des bei der Antragstellung „schnelleren“ ersten Antragstellers hat
das VG nicht gefordert, sondern inzident verneint. Eine solche Verpflichtung lässt sich auch nach meiner Auffassung aus der verfassungsrechtlich geforderten Neutralitäts- und Gleichbehandlungspflicht bei der Gewährung
des Informationszuganges an Journalisten nicht ableiten.