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le - der Justiz. Diese Abwägung habe das OVG als Berufungsinstanz unter Beachtung des grundrechtlichen
Stellenwertes der gegenläufigen Interessen (Pressefreiheit einerseits und Freiheit der Berufsausübung andererseits) zutreffend vorgenommen. Die Entscheidung, dem Auskunftsinteresse im vorliegenden Fall Vorrang einzuräumen, sei plausibel und nachvollziehbar (BVerwG, a. a. O., Rdn. 38).
Eine derartige Abwägung zweier gegenläufiger, jeweils grundrechtlich geschützter Interessen sieht das IFG
nicht vor, weil das Recht auf Informationszugang nach dem IFG keine Ausprägung eines grundrechtlichen Informationsanspruches ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bezog sich auch nicht auf einen
Antrag nach dem IFG, sondern auf einen unmittelbar aus dem Grundgesetz abgeleiteten presserechtlichen Anspruch.
Aber auch der Anspruch auf Informationszugang nach dem IFG kann mitunter mit grundrechtlich geschützten
Rechtspositionen wie z. B. dem Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung oder der Berufsfreiheit kollidieren. Die grundrechtlich geschützten Positionen stoßen hier nur auf einen einfachgesetzlichen, also nicht verfassungsrechtlich gewährten Informationsanspruch.
Vor diesem Hintergrund ist der „absolute“ Vorrang etwa der Berufsfreiheit durch „abwägungsresistenten“
Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in § 6 Satz 2 IFG nachvollziehbar.
2.1.8

Recht auf Aktualitätsvorsprung beim Informationszugang von Journalisten?

Die Neutralitätspflicht des Staates gebietet es nicht, bei mehreren Anträgen auf Informationszugang zu einem
bestimmten Themenkomplex dem ersten Antragsteller einen Aktualitätsvorsprung gegenüber späteren
Antragstellern einzuräumen.
Dies war die zentrale Rechtsfrage, über die das Verwaltungsgericht Berlin im Frühjahr 2015 entscheiden musste. Zwei Journalisten recherchierten 2011 zum sog. „Deutschen Herbst“. Der erste beantragte im März 2011
beim Bundeskanzleramt Akteneinsicht in und Kopie der Akten zu drei Opfern des „Deutschen Herbst“ 1977,
zur Entführung der „Landshut“ und der Ausbildung von Terroristen in Jemen. Der zweite Journalist begehrte
Ende Juni 2011 ebenfalls beim Bundeskanzleramt Einsichtnahme in Akten der Bundesregierung zum Krisenmanagement während der Schleyer-Entführung und der Terrorismusbekämpfung der Regierung Helmut
Schmidt 1977.
Der erste Antragsteller und spätere Kläger erhielt mit vier Teilbescheiden vom 29.04., 20.06., 03.11. und
22.12.2011 zunächst Auskunft über die an das Bundesarchiv abgegebenen Akten sowie Kopien zu zahlreichen
Vorgängen. Zu 421 Dokumenten wurde der Zugang verweigert. Weitere Informationen wurden ihm 2012 zur
Verfügung gestellt.
Der zweite Journalist erhielt mit Bescheid vom 06.01. 2.012 Kopien aus 59 Vorgängen. Zu 421 Dokumenten
wurde auch ihm der Zugang verwehrt. Auch ihm wurden im Laufe des Jahres 2012 weitere Informationen
übermittelt.
Am 5. August veröffentlichte der zweite Journalist seine Story, für die er Informationen des BK zu Telefonaten
zwischen dem Bundeskanzler Helmut Schmidt und Staatsminister Wischnewski verwendete. Diese Informationen hatte das Bundeskanzleramt mit Schreiben vom 30.07.2012 abgesandt. Mit Schreiben vom gleichen Tag
wurden diese Informationen auch dem Konkurrenten und ersten Antragsteller übersandt.
Der erste Journalist blieb hier nur zweiter Sieger. Sein (auch) auf dasselbe, ebenfalls am 30.07.2012 übersandte
Material gestützter Artikel erschien erst am 6. August.

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