Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 755 –
Drucksache 18/12850
„Für die Reichweite der auf § 1 Abs. 2 Satz 1 BNDG beruhenden Fernmeldeaufklärung im Ausland folgt daraus zum einen, dass die einfachgesetzliche Ausgestaltung
des Fernmeldegeheimnisses nach § 88 TKG wegen der auf Deutschland beschränkten
räumlichen Wirkung darauf nicht beschränkend wirkt. Zum anderen folgt daraus aber
auch, dass Beschränkungen des rein im Ausland stattfindenden Fernmeldeverkehrs
nicht dem Regime des G10 unterliegen.“3891
Eine „Rückausnahme“ für diese Reichweitenbegrenzung von Art. 10 GG ergebe sich aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG und dem daraus durch das Bundesverfassungsgericht abgeleiteten Schutz
des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.3892 Dieser gelte auch für den überwachten Routineverkehr.3893
b)
Die „Funktionsträgertheorie“
Intensiv ist im Ausschuss ebenfalls die sogenannte Funktionsträgertheorie des BND diskutiert worden, welche die persönliche Reichweite von Art. 10 GG betrifft.
Ausweislich eines Handbuchs der Abteilung TA im BND für die Handhabung von Datenerhebung mit möglichem G 10-Bezug (G 10-Handbuch) beschreibt die Funktionsträgertheorie den maßgeblichen grundrechtlichen Gesichtspunkt bei der Erfassung von Verkehren juristischer Personen. Aus Sicht des BND scheint es
sich um eine Zurechnungsregel zu handeln, nach der das Handeln einer natürlichen Person für eine juristische
Person rechtlich der letzteren „zugeordnet“ wird.3894
Praktisch wurden dabei nach dem G 10-Handbuch der Abteilung TA folgende Konstellationen unterschieden:
„Fall 1: Eine geschützte natürliche Person handelt für eine nicht geschützte juristische
Person und kommuniziert mit einer nicht geschützten Person.
Bsp.: Ein deutscher Staatsangehöriger arbeitet für ein ausländisches Unternehmen im
Ausland.
Lösung: Dienstliche Gespräche sind als Routineverkehre, private Gespräche als G10Verkehre zu qualifizieren.
Fall 2: Eine geschützte natürliche Person handelt für eine geschützte juristische Person
und kommuniziert mit einer nicht geschützten Person.
Bsp.: Ein deutscher Staatsangehöriger arbeitet für ein deutsches Unternehmen.
Lösung: Sowohl dienstliche Gespräche als auch private Gespräche sind als G10-Verkehre zu qualifizieren.
3891)
3892)
3893)
3894)
Bericht der sachverständigen Vertrauensperson Dr. Graulich vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 49 f.
Bericht der sachverständigen Vertrauensperson Dr. Graulich vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 50.
Bericht der sachverständigen Vertrauensperson Dr. Graulich vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 50.
Vgl. G 10-Handbuch der Abteilung TA im BND vom 20. Februar 2008, MAT A BND-22a, Bl. 5 (21), (VS-NfD – insoweit offen).