Drucksache 18/12850

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

aaa) Bundesnachrichtendienst
Dr. August Hanning, BND-Präsident vom 17. Dezember 1998 bis zum 30. November 2005, hat als Zeuge
vor dem Ausschuss ausgeführt, dass das Thema Proliferation von Massenvernichtungswaffen immer ein
Thema gewesen sei, von dem man gewusst habe, dass es von den US-Diensten mit großer Intensität behandelt
werde. Dies sei „natürlich auch Wirtschaftsspionage im weitesten Sinne“.1178 Er habe das Thema Konkurrenzspionage – im Sinne einer Kenntnisgewinnung zum Zweck der Verschaffung von Vorteilen gegenüber
anderen Konkurrenten und Wettbewerbern – bei der US-amerikanischen Seite wiederholt angesprochen.
Diese hätte dann immer mit – seiner Ansicht nach – überzeugender Begründung widersprochen:1179
„Wenn Sie sich anschauen: Siemens ist in den USA der zweitgrößte Arbeitgeber in
der Sparte. Es gibt viele Verbindungen zwischen deutschen und US-Unternehmen.
Und da müssen Sie auch das innerstaatliche US-Recht sich anschauen: Wenn ein Wettbewerber bevorteilt wird gegenüber einem anderen, löst das sofort Schadensersatzansprüche in erheblicher Höhe aus. Also, ich glaube - - Diese Argumentation hat mich
immer überzeugt.“1180
Die intensive Aufklärung im Proliferationsbereich durch die USA habe auch deutsche Firmen betroffen. Ein
Teil der Verfahren, die in Deutschland abgelaufen seien wegen Sanktionsverstößen oder auch wegen der
Lieferung kritischer Materialien, Waffen und ähnlichem, seien auch auf Erkenntnisse der USA zurückgegangen:
„[U]nd wir hatten schon die Vermutung, dass das eben auch Erkenntnisse waren, die
über die Mittel und Wege der NSA gewonnen worden sind. Das wussten wir aber
nicht. Die Amerikaner geben Erkenntnisse - - Eigentlich speisen sie ein, ohne dass sie
die Quelle benennen. Aber dafür gab es eine starke Vermutung.“1181
Auf die Frage, ob man vor dem Hintergrund der Situation nach dem 11. September 2001 und dem Bemühen
um eine intensivere Zusammenarbeit mit den Amerikanern möglicherweise über manche Bedenken hinweggesehen habe, hat der Zeuge Dr. Hanning ausgeführt:
„Na ja, also ich glaube, lax sind wir da nicht gewesen, sondern wir haben schon die
unterschiedlichen Interessen immer gesehen. Und wenn Sie eines lernen im nachrichtendienstlichen Gewerbe, ist es, dass Sie unterschiedliche Interessen genau erkennen
und definieren und damit vernünftig umgehen. Und das ist natürlich auch gerade gegenüber den Amerikanern der Fall. Nach 9/11 war natürlich die Situation etwas anders; da gab es ja nun die Erklärung der Bundesregierung, da gab es Herrn Schily - Da gab es also viele, viele Gründe, besonders intensiv mit den Amerikanern zusam-

1178)
1179)
1180)
1181)

Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 65 I, S. 115.
Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 65 I, S. 115.
Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 65 I, S. 115.
Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 65 I, S. 115.

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