Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– 1689 –

Drucksache 18/12850

B.

Empfehlungen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

I.

Empfehlungen der Fraktion DIE LINKE.

1.

Telekommunikationsüberwachung durch die Geheimdienste

Das Artikel-10-Gesetz ist abzuschaffen, wie es DIE LINKE. in ihrem Gesetzentwurf 18/5453 vom
02.07.2015 bereits gefordert hat. Die sich aus dem Artikel-10-Gesetz ergebenden Befugnisse für die Geheimdienste des Bundes und der Länder in den jeweiligen Spezialgesetzen sind entsprechend anzupassen. Durch
die Abschaffung des Artikel-10-Gesetzes und weiterer Gesetze, die den Geheimdiensten des Bundes die Befugnis zu Beschränkungen des in Artikel 10 GG garantierten Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses zugestehen, entstehen keine Schutzlücken für die Sicherheit des Bundes oder der Länder. Aufgaben der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung wären wieder klar der Polizei zugewiesen und es bliebe nicht mehr den Diensten überlassen, ob sie aus der Fernmeldeaufklärung gewonnene Erkenntnisse über Straftaten den zuständigen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden übermitteln oder nicht. Die durch die Polizei und Strafverfolgungsbehörden vorgenommenen Grundrechtseingriffe unterliegen zudem der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit, der uneingeschränkten datenschutzaufsichtlichen Kontrolle und können auch parlamentarisch besser
aufgearbeitet werden. Ein grundlegendes Prinzip des Rechtstaates besteht darin, von staatlichen Kontrollund Überwachungsmaßnahmen ausgenommen zu sein, soweit keine Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegen. Die Ergebnisse des NSA-Untersuchungsausschusses belegen, dass die menschen-, europa- und grundrechtlichen Bindungen durch die Geheimdienste des Bundes nicht beachtet, sondern planmäßig umgangen wurden. Es ist keine Form der parlamentarischen Kontrolle denkbar, die solchen
Rechtsbrüchen wirksam entgegenwirken könnte. Bereits der BND-Untersuchungsausschuss in der 16. Wahlperiode hat gezeigt, dass Geheimdienste im Windschatten der Unkontrollierbarkeit das eigene Handeln in
erster Linie nicht an Legalität und grundgesetzlicher Legitimität, sondern an Opportunität und Machtinteressen ausrichten. Sie sind deshalb grundsätzlich Fremdkörper in der Demokratie. Die Abschaffung ihrer Befugnisse nach dem G10-Gesetz ist aus Sicht der DIE LINKE. ein erster sinnvoller Schritt zu ihrer Abschaffung überhaupt. Zu einzelnen der von ihnen wahrgenommen Aufgaben muss es eine Debatte geben, von wem
sie zukünftig (und ob überhaupt) wahrgenommen werden sollen.
Das von der Großen Koalition verabschiedete neue BNDG ist aufzuheben, soweit es dem BND die Überwachung von Telekommunikation ohne jeden Anfangsverdacht gegen einzelne Personen oder Gruppierungen
gestattet. Die uferlose Überwachung ganzer Telekommunikationsnetze und der Kommunikation der Bürgerinnen und Bürger bringt nicht mehr an Sicherheit. Die fast voraussetzungslose Möglichkeit zur Massenüberwachung und die daran anschließende Vorratsdatenspeicherung widerspricht der Rechtsprechung des EGMR
sowie des BVerfG und verletzt die Rechte unverdächtiger Bürgerinnen und Bürger. Eine nachträgliche Kontrolle läuft schon deshalb ins Leere, weil das neu geschaffene, von der Bundesregierung eingesetzte und
dennoch angeblich unabhängige Gremium objektiv nicht in der Lage ist, die Überwachungstätigkeit des BND
ernsthaft zu kontrollieren und zu prüfen.

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