Drucksache 18/12850

– 1678 –

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

vermeintlichen oder bekannten Kämpfern treffen wird und ob die Zielauswahl von zivilen Personen als solche völkerrechtlich zu beanstanden ist.9011
Außerdem ist dem Einsatz von Kampfdrohnen vorzuwerfen, dass er überwiegend als Instrument der höchst
umstrittenen „gezielten Tötung“9012 (targeted killing) dient. Damit erweist sich die Drohne nicht selten als
ein Hinrichtungsinstrument, das verborgen und auf unsicherer und unbekannter Grundlage Personen ohne
Gerichtsverfahren liquidiert.9013 In diesem Sinne stellen gezielte Tötungen außerhalb eines bewaffneten Konflikts, etwa in Pakistan und maßgeblich auch in Jemen, eklatante Verletzungen des Rechts auf Lebens nach
Art. 6 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) dar.
Im Rahmen eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts ist eine gezielte Tötung nur unter sehr strengen
kumulativen Voraussetzungen nicht zu beanstanden: Die zu liquidierende Person muss zunächst ein legitimes
Ziel sein, also Mitglied einer „organisierten bewaffneten Gruppe“9014 oder als Zivilist „unmittelbar an Feindseligkeiten“ beteiligt sein.9015 Die Tötung darf nicht „unterschiedslos“ geführt werden und unterliegt zudem
dem Exzessverbot.9016 Des Weiteren muss die gezielte Tötung „militärisch notwendig“ sein. Schließlich dürfen auch bei gezielten Tötungen keine verbotenen Waffen eingesetzt werden.
Daneben könnte bei einem Drohnenangriff eine Verletzung des Verbots der Tötung kampfunfähiger Gegner
(hors de combat-Regel)9017 vorliegen, weil durch den Überraschungsmoment eines Drohneneinsatzes selbst
in entlegenen Regionen die Möglichkeit eines Sich-Ergebens praktisch nicht mehr gegeben ist. Selbst wenn
die Betroffenen eine solche Absicht haben und dies nach dem gegenwärtigen Stand der Technik auch festgestellt werden könnte, wird ihnen für eine entsprechende Signalgebung keine Gelegenheit gegeben.
Völkerrechtlich lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass eine Pflicht zur Verwendung milderer Mittel besteht und eine Gefangennahme einer Tötung vorzuziehen ist. Grundlage für diese Position ist eine weite
Auslegung des Verbots „unnötigen Leidens“ im Lichte der Prinzipien der Menschlichkeit und militärischen
Notwendigkeit. Dies fordert jedoch ein fortschrittliches Verständnis der Rechtsfigur der Vermeidung unnötigen Leidens. Danach sollen Tötungen nur dann erlaubt sein, wenn sie zur Außergefechtssetzung des Gegners notwendig sind. Die Notwendigkeit ist folglich mit einer Einzelfallprüfung zu ermitteln. Zur Gewährleistung eines maximalen Schutzes des Einzelnen hat das militärische Ermessen zurückzutreten.9018 Eine
Pflicht zur Gefangennahme besteht jedoch auch nach dieser Auffassung nur dort, wo eine territoriale Kon-

9011)
9012)
9013)
9014)
9015)
9016)
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9018)

Dazu mehr unten (2); vgl. zu den Anforderungen insgesamt: Philipp Stroh (2016): Humanitär-völkerrechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz luftgestützter unbemannter militärischer Kampfsysteme im bewafffneten Konflikt, Deutsche Stiftung Friedensforschung, Forschung DSF No. 40 (im Internet abrufbar).
Für eine erhellende Kritik, siehe Gunneflo, M. (2016): Targeted Killing: A Legal and Political History (Cambridge University Press,
Cambridge); dazu auch Samour, N., Gunneflo Book Symposium (3) – Targeted Killing, Revisiting Hobbes: No Protection, No
Obedience”, Völkerrechtsblog, 22/3/2017, https://voelkerrechtsblog.org/gunneflo-book-symposium-part-3/
Vgl. Antrag der Fraktion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache 17/12437 und Antrag der Fraktion „Bündnis 90/DIE GRÜNEN“,
Bundestagsdrucksache 17/13235, Ziff. 2.
Artikel 1 Absatz 1 Protokoll II.
Artikel 51 Absatz 3 Protokoll I; Artikel 13 Absatz 3 Protokoll II.
Artikel 51 Absatz 5 lit. b Protokoll I.
Artikel 41 Abs. 2 lit. B Protokoll I.
So Seiring, O., Drohneneinsätze gegen feindliche Kämpfer – Besteht eine Pflicht zur Gefangennahme als milderes Mittel?, in Frau,
R. (Hg.) (2014): Drohnen (Mohr Siebeck, Tübingen), S. 100.

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