Drucksache 18/12850
– 1674 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Diese Problematik tritt im Falle der von der CIA zwischen 2007 und 2012 durchgeführten Drohnenangriffe
im pakistanischen Nord-Wasiristan besonders hervor, denn diesen wurde laut US-Argumentation ein Einverständnis der pakistanischen Behörden zugrunde gelegt.9000
Das Gewaltverbot bindet in erster Linie Staaten und erfasst daher grundsätzlich nicht die Gewalt von oder
gegen nicht-staatliche Akteure als solche, zum Beispiel organisierte bewaffnete Gruppen. Diese müssen vielmehr einem Völkerrechtssubjekt zugerechnet werden können. Im Fall der Terroranschläge auf das World
Trade Center in den USA 2001 wurde allerdings die von der Al-Qaida ausgeübte nicht-staatliche Gewalt der
afghanischen Taliban-Regierung zugerechnet, weil diese der Terrororganisation Schutz gewährt hatte (sog.
„safe-haven-Doktrin“). Entsprechend wurde auch ein Selbstverteidigungsrecht der USA diskutiert.
Eine Durchbrechung des Gewaltverbots ist nämlich in zwei Fällen gerechtfertigt: Entweder handelt es sich
um eine UN-Maßnahme nach Art. 39 ff. UN-Charta oder um die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts
nach Art. 51 UN-Charta, das auch kollektiv ausgeübt werden kann. Vor allem letzteres stellt einen wichtigen
Ausnahmetatbestand dar. Nach dieser Vorschrift (Art. 51 UN-Charta) wird das Recht eines UN-Mitgliedstaates zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung im Falle eines bewaffneten Angriffs durch die
Charta nicht beeinträchtigt, zumindest
„bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.“
Voraussetzung für die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts ist ein gegenwärtiger und anhaltender „bewaffneter Angriff“ auf einen Mitgliedsstaat der UN, was der Staat zu beweisen hat, der sich auf das Selbstverteidigungsrecht beruft.9001 In diesem Zusammenhang ist insbesondere der sogenannte globale Krieg gegen
den Terrorismus („global war on terror“), wie ihn die USA als Ausübung ihres Selbstverteidigungsrechts
zu führen beansprucht, höchst umstritten diskutiert.9002
War der Vergeltungsangriff auf das Taliban-Regime in Afghanistan 2001 im Beschluss des Sicherheitsrates
über die Resolution 1368 als ein Akt der Selbstverteidigung wenigstens angelegt und die Mission der ISAFSchutztruppe jedenfalls durch die Resolution 1386 völkerrechtlich abgesegnet, ist die Ausweitung der
Kampfzone auf andere Staatsgebiete und auch innerhalb Afghanistans auf befriedete Bereiche alles andere
als ohne Weiteres durch das Recht zur Selbstverteidigung gedeckt. Insoweit fehlt es schon an einem unmittelbaren, gegenwärtigen und anhaltenden Angriff auf das Staatsgebiet der USA bzw. eines NATO-Bündnispartners.9003
Auch der Mehrheitsbericht weist auf diese Rechtsauslegung der USA hin und hält fest, dass aus Perspektive
der USA der Drohnenkrieg legitim sei. Damit hat es sein Bewenden. Eine Erörterung der grundsätzlichen
9000)
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Siehe auch das Urteil des Peshawar High Court v. 11.4.2013, Nr. 1551-P/2012, in dem das Oberste Gericht die von CIA auf pakistanischem Boden durchgeführten Drohnenangriffen als Kriegsverbrechen feststellte und die Regierung aufforderte, ihre staatliche
Souveränität gegenüber den USA durchzusetzen.
Städele, J.P. (2014): Völkerrechtlicher Implikationen des Einsatzes bewaffneter Drohnen (Duncker & Humblot, Berlin), S. 89.
Vgl. Jahn-Koch, I./Koch, M., Bewaffnete Drohnen – Teufelszeug oder Waffen wie andere?, in Delbrück, J. u.a. (Hg.) (2014):
(Duncker & Humblot, Berlin), S. 284.
Zu verneinen ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob einzelne geringfügige Gewaltanwendungen kumuliert werden dürfen und
somit doch als bewaffneter Angriff bewertet werden dürfen; dazu Jahn-Koch, I./Koch, M., Bewaffnete Drohnen – Teufelszeug oder
Waffen wie andere?, in Delbrück, J. u.a. (Hg.) (2014): (Duncker & Humblot, Berlin)., S. 97-100.