Drucksache 18/12850

– 1664 –

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

waren. Er kannte die beiden am nächsten Tag durch den Drohnenangriff Getöteten also persönlich. Laut
Presseberichten hatte Sidiqi den Befragern
„bereitwillig Auskunft gegeben, vor allem über die deutsche Islamisten-Szene“.8961
Die dazu befragten Zeugen des BfV sahen keinen Zusammenhang zwischen der Befragung von Ahmad Sidiqi
und dem Drohnenangriff am nächsten Tag.8962 Ob Sidiqi Informationen zu seinen am nächsten Tag getöteten
Bekannten preisgegeben hatte und ob diese gegebenenfalls als Kriterium für den Drohneneinsatz verwendet
wurden, konnte nicht geklärt werden. Höchst problematisch war die Befragung durch deutsche Geheimdienste aber schon allein angesichts der Haftbedingungen in Bagram. In einem späteren Gerichtsverfahren gegen
Sidiqi wurde von dessen Haft im Militärgefängnis berichtet: Diese habe er unter schweren hygienischen
Mängeln, Dauerüberwachung und permanenter Helligkeit oder Dunkelheit verbracht.8963
Das Gefängnis in Bagram war in der Vergangenheit durch Foltermethoden bekannt geworden. So veröffentlichte die New York Times auf Grundlage eines Untersuchungsberichts des US-Militärs mehrere Informationen zu Folteropfern in Bagram, wie den Fall zweier afghanischer Inhaftierter, die von Soldat_innen zu Tode
geschlagen wurden.8964
Dass Sidiqi an einem solchen Ort von deutschen Diensten befragt wurde, ist ein Skandal. In einem Dokument
zum „Verfahren für künftige Befragungen von im Ausland – durch dortige Sicherheitskräfte – inhaftierte
Personen durch Mitarbeiter deutscher Nachrichtendienste“ ist ausdrücklich vermerkt, dass
„[e]ine Befragung unterbleibt wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte bestehen,
dass der Betroffene im Aufenthaltsland der Folter unterworfen wird.“8965
Auch wird angewiesen:
„Freiwilligkeit und das ausdrückliche Einverständnis des jeweiligen Betroffenen sind
unverzichtbare Voraussetzungen.“8966
Da die Vernehmung Sidiqis in Bagram durch BND und BfV stets für nicht untersuchungsgegenständlich
erklärt wurde, bleibt der Verdacht einer unfreiwilligen und rechtswidrigen Befragung im Raum stehen.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. Oktober 2010 – „BND verhört deutschen Al-Qaida-Anhänger“.
Vgl. Fromm, Protokoll-Nr. 102 I, S. 55; Isselburg, Protokoll Nr. 100 II – Auszug offen, S. 8.
SWR-Terrorismus Blog vom 22. Mai 2012 – „Sechs Jahre Haft & harte Kritik an der CIA“, http://www.swr.de/blog/terrorismus/2012/0+5/22/6-jahre-haft-harte-kritik-an-der-cia/ (abgerufen am 07. Juni 2017).
New York Times vom 20. Mai 2005: In U.S. Report, Brutal Details of 2 Afghan Inmates' Deaths, http://www.nytimes.com/2005/05/20/world/asia/in-us-report-brutal-details-of-2-afghan-inmates-deaths.html (abgerufen am 15. Juni 2017).
Vgl. Verfügung des Bundeskanzleramtes vom 6.03.2006: Verfahren für künftige Befragungen von im Ausland durch dortige Sicherheitskräfte inhaftierten Personen durch Mitarbeiter deutscher Nachrichtendienste, Nr. 92 der beigefügten Dokumente für den
Abschlussbericht des 1. Untersuchungsausschusses der 16. Wahlperiode (BND-Untersuchungsausschuss, Bundestagsdrucksache
16/13400.
Vgl. Verfügung des Bundeskanzleramtes vom 6.03.2006: Verfahren für künftige Befragungen von im Ausland durch dortige Sicherheitskräfte inhaftierten Personen durch Mitarbeiter deutscher Nachrichtendienste, Nr. 92 der beigefügten Dokumente für den
Abschlussbericht des 1. Untersuchungsausschusses der 16. Wahlperiode (BND-Untersuchungsausschuss, Bundestagsdrucksache
16/13400.

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