Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1567 –
Drucksache 18/12850
des geltenden Rechts zu rechtfertigen. Das dahinterstehende Problem war offenkundig: Die Übermittlungsvorschriften hatte der BND bis dato nicht eingehalten und konnte dies angesichts der Masse und Beschaffenheit der übermittelten Metadaten auch gar nicht.
BND und Kanzleramt verfolgten daher bewusst und gewollt das Ziel, die Datenerfassungen in Bad Aibling
und damit auch die Übermittlungen des BND aus dem Geltungsbereich des BNDG (insbesondere § 9 BNDG)
herauszudefinieren, um sich so von den lästigen Vorschriften zu befreien. Dazu musste auch die seit 1995
gültige und schriftlich vom Kanzleramt verfügte Weisung beseitigt werden, nach der alle Daten, die der BND
wo auch immer erfasst hat, gleichsam nach den Übermittlungsvorschriften des BNDG und BVerfSchG zu
behandeln seien. Im August 2013 wurde so die Weisungslage der rechtswidrigen Praxis des BND einfach
angepasst. Darin liegt gleichsam eine nachträgliche Billigung der rechtswidrigen Praxis durch die Verantwortlichen im Kanzleramt: den Abteilungsleiter 6 Heiß und den Chef des Kanzleramtes Pofalla. Sie ist aktenkundig in der von Heiß gefertigten Vorlage für den Chef des Kanzleramtes vom 7. August 2013, die
Pofalla am selben Tag mit seiner Paraphe zustimmend abzeichnete.8451
Als Entscheidungsgrundlage diente ein zwei Tage zuvor im BND erstelltes Kurzgutachten8452 mit der von
Schindler und Heiß vorgegebenen Linie: 1. Die Metadaten seien im Ausland und damit außerhalb des Geltungsbereiches des BNDG erhoben worden und deshalb vogelfrei („Weltraumtheorie“). Und 2. als Hilfsüberlegung: Metadaten von Ausländern im Ausland seien keine personenbezogenen Daten.8453
Im Kurzgutachten wird noch eine weitere Hilfserwägung getroffen: Selbst wenn die beiden ersten Auffassungen nicht trügen, würde der BND die Übermittlungsvorschriften aus dem BVerfSchG dennoch einhalten
(können). Dies wird jedoch nur um den Preis abgesenkter Anforderungen erreicht, für die es aus unserer Sicht
und wie dargelegt keine Rechtfertigung gibt (siehe insb. V.9.a)bb) – Metadaten besitzen eine hohe Aussagekraft).
Der Versuch, diese BND-Argumentation als tatsächlich gangbare Rechtsauffassung zu verkaufen, wird auch
im Hinblick auf den Bericht der „Vertrauenperson“ Graulich über die NSA-Selektoren deutlich, indem weite
Teile des Kurzgutachtens – unreflektiert und wörtlich – Einzug fanden.8454
aaa) Versuch Nr. 1: Weltraumtheorie
Auch die BfDI-Zeugin Löwnau erklärte sich den Grund, warum der BND die Weltraumtheorie erfand, damit
„wahrscheinlich, weil man gemerkt hat, man hat dort bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt“.8455 Um dem
deutschen Recht zu entkommen, hob der BND gewissermaßen bis in den Weltraum ab.
8451)
8452)
8453)
8454)
8455)
Vorlage von AL6 Heiß für ChefBK Pofalla vom 7. August 2013, Betr. „Rechtsgrundlage zur Übermittlung von im Ausland gewonnener Daten an ausländische öffentliche Stellen“, MAT A BK-1/6b, Bl. 76-78 (VS-NfD).
Kurzgutachten des BND vom 5. August 2013, MAT A BK-1/6b, Bl. 65-68 (VS-NfD).
BND-interne E-Mail vom 5. August 2013, MAT A BND-40a, Bl. 99 f. (VS-NfD).
Graulich, MAT A SV-11/2, bspw. S. 62 ff., 90.
Löwnau, Protokoll-Nr. 72 I, S. 42.