Drucksache 18/12850
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– 1544 –

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Offene Fragen und schwarze Löcher

Wie oben dargestellt wurde dem Ausschuss von der Bundesregierung die Einsicht in die im August 2013
vom BND aussortierten NSA-Selektoren verweigert; ebenso der BfDI, der G 10-Kommission und dem Parlamentarischen Kontrollgremium. Den Gesamtbestand aller gelieferten Selektoren, d. h. der aktiven, der aussortierten (auf „disapproved“ gesetzten) und von der NSA auf inaktiv gesetzten, zurückgezogenen Selektoren, hat sich auch nicht die „Sachverständige Vertrauensperson“ der Bundesregierung, Graulich, angesehen.
Der Gesamtbestand der NSA-Selektoren hat sich zwischen August 2013 und März 2015 fast verdoppelt. Es
gibt also eine riesige Anzahl „neuer“ NSA-Selektoren, die zwischen 2013 und dem Aufdecken des Skandals
im Frühjahr 2015 offenbar nicht anhand des modifizierten Filters überprüft wurden. Und gar nicht überprüft
werden konnten, da in dem Filtersytem in der BND-Zentrale solche Kriterien zur Erkennung staatlicher Stellen von EU- und NATO-Staaten erst Mitte März 2015 implementiert wurden. Wenn die veröffentlichten
Angaben stimmen, handelt es sich um 7 bis 8 Millionen unzureichend geprüfter NSA-Selektoren. Angesichts
der Selektorenzunahme erscheint auch fraglich, inwieweit die NSA unzulässige Selektoren, wie von BNDZeugen behauptet, „zurückgezogen“ hat. Es sieht vielmehr danach aus, dass andere, neue Selektoren geliefert
wurden.
Welche Ziele mit diesen Selektoren erfasst werden sollten, müssten mittlerweile BND und Kanzleramt wissen, sofern die Selektoren „lesbar“ oder zuordenbar waren. Denn nach der Aufdeckung im März 2015 fanden
umfangreiche Suchläufe über den Selektorenbestand und Bereinigungen statt. Auch inwiefern diese Selektoren tatsächlich verwendet wurden oder nur „inaktiv“ in der Datenbank schlummerten, muss dort bekannt
sein.
Dies alles konnte der Ausschuss nicht untersuchen. Zum einen gab es einen Streit über die Auslegung des
erweiterten Untersuchungsauftrages hinsichtlich der NSA-Selektorenproblematik.8308 Die Koalition schlug
sich erwartungsgemäß auf die Seite der Bundesregierung und wollte hierzu anscheinend keine Aufklärung.
Zum anderen verweigert die Bundesregierung weiterhin generell Angaben über die Inhalte der NSA-Selektoren.
Zu einem Abwiegeln hinsichtlich des Umfangs der im August 2013 beanstandeten NSA-Selektoren oder
möglicher Wirtschaftsspionage, wie Graulich und die Koalition es tun, besteht daher insgesamt kein Anlass.
Im Gegenteil: Es steht vielmehr zu befürchten, dass die Verstöße noch viel gravierender sind, als zum Zeitpunkt März 2015 bekannt war.
Um valide Aussagen treffen zu können, hätte man den Gesamtbestand der NSA-Selektoren untersuchen müssen, wie wir immer wieder gefordert haben. Welche Bewertungen wir bei Durchsicht aller NSA-Selektoren
getroffen hätten, muss offen bleiben.

8308)

siehe Ziffer Ia Nr. 5 im erweiterten Auftrag, Bundestagsdrucksache 18/8683 vom 6. Juni 2016.

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