Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1541 –
Drucksache 18/12850
wäre bei Bekanntwerden der NSA-Selektorenfunde wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen, die Behauptungen des Kanzleramtsministers wären widerlegt gewesen – und das so kurz vor der Bundestagswahl.
Wie bereits erwähnt wollte sich Unterabteilungsleiter D. B. nicht zu seinem Motiv äußern, warum er die
Selektoren-Funde gegenüber Vorgesetzten verschwiegen habe. Ob es tatsächlich so war und BND-Präsident
Schindler und das Kanzleramt im Sommer 2013 nichts von der NSA-Selektorenproblematik gewusst haben,
wissen wir nicht. Fest steht nur, dass damals weder die Öffentlichkeit noch der Bundestag und das Parlamentarische Kontrollgremium über die unzulässigen NSA-Selektoren informiert wurden.
Das Kanzleramt hat am 23. April 2015, dem Tag, an dem es dem Ausschuss und dem Parlamentarischen
Kontrollgremium erstmals vom Auffinden der NSA-Selektorenlisten berichtete, eine scharf formulierte Pressemitteilung veröffentlicht und dem BND darin „technische und organisatorische Defizite“ bescheinigt.8297
Dennoch wurden gegen keinen der damaligen Beteiligten im BND bislang ein Disziplinarverfahren eingeleitet oder andere Maßnahmen ergriffen, obwohl der ehemalige BND-Präsident Schindler und das Kanzleramt heute der Auffassung sind, dass dieser Vorgang gravierend war und damals nach oben hätte gemeldet
werden müssen.
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Fragen ist Silber: Versäumnisse der BND-Amtsleitung und des Kanzleramtes bei der
Fachaufsicht
Es ist kaum glaubhaft, dass im Zuge der Snowden-Enthüllungen weder Präsident Schindler noch das Kanzleramt beim BND nach der konkreten Praxis der Kooperation mit der NSA gefragt haben sollen. Dass der
BND Suchbegriffe der NSA steuert, war allen Seiten bekannt. Die Frage, mit welchen NSA-Suchbegriffen
der BND Telekommunikation erfasst, drängte sich bei den nahezu wöchentlichen Veröffentlichungen aus
den Snowden-Dokumenten auf.
Präsident Schindler räumte vor dem Ausschuss sogar ein, dass es in den Gesprächen mit Kanzleramtsminister
Pofalla im Sommer 2013 auch um NSA-Selektoren ging:
„Es ging um die Problematik NSA. Und bei der Problematik NSA ging es auch darum:
Wie läuft das Verfahren? Wenn Sie mitkriegen: „Wir steuern in Bad Aibling US-amerikanische Selektoren“, dann fragt man sich natürlich: „Wie läuft das Verfahren?“,
und, und, und. Also, ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Es ging auch immer mal um
Selektoren, aber nicht um die 40 000er-Liste; die ist ja erst viel später ausgedruckt
worden. Zum damaligen Zeitpunkt wussten wir gar nicht, dass eine solche 40 000erListe in der Maschine existierte.“8298
Ob Schindler damals von der „40.000er-Liste“ als solche wusste, ist völlig unerheblich. Es wäre seine Pflicht
gewesen, in der Abteilung TA nachzufragen, welche Selektoren der BND für die NSA steuert. Im Zusammenhang mit den BND-eigenen Selektoren hat Schindler sich diese Frage schließlich sehr wohl gestellt:
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8298)
Bundesregierung: Pressemitteilung Nr. 153 vom 23. April 2015, „Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes“,
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2015/04/2015-04-23-bnd.html, abgerufen am 6. Juni 2017.
Schindler, Protokoll-Nr. 126 I, S. 51.