Drucksache 18/12850

– 1528 –

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

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Wir gehen nach Würdigung der Aussagen und der Akten sowie des Berichts von Graulich in unserer Bewertung davon aus, dass in den Anfangsjahren (2005-2007) Deutungen mitgeliefert wurden, die Telefonie-Selektoren der NSA zumindest in den letzten Jahren überwiegend keine Deutungen enthalten haben.
Auch hinsichtlich der IP-Selektoren gibt es divergierende Angaben: Der Zeuge W. O., der in Bad Aibling die
Aktivierung der NSA-Selektoren nach der Prüfung vorgenommen hat, hat ausgesagt, dass es für IP-Selektoren gar keine Deutungen gegeben habe.8232 Die von der Bundesregierung für die Einsicht in die NSA-Selektorenliste eingesetzte „Sachverständige Vertrauensperson“ Kurt Graulich schreibt hingegen in ihrem Bericht:
„Die an den NSA-Internet-Selektoren vorhandenen Begründungen waren aus informationstechnologischen Gründen für die BND-Mitarbeiter von Anfang an nicht lesbar,
weil NSA und BND mit unterschiedlichen Datenbanksystemen arbeiteten.“8233
Im Ergebnis ist es einerlei, ob Deutungen und Begründungen gar nicht erst vorhanden oder ob sie nicht lesbar
waren.
Ohne eine (lesbare) Deutung ist eine Erforderlichkeitsprüfung und zum Teil sogar eine G 10-Prüfung von
Telefonnummern, E-Mail-Adressen, Messenger-IDs etc., deren Inhaber der BND nicht kennt, von vornherein
ausgeschlossen. Der für die NSA-Selektorenprüfung zuständige BND-Mitarbeiter K. M. hätte wenigstens
seine wenn auch unzureichende automatisierte Wortbank-Suche zur G 10-Prüfung und zur rudimentär vorhandenen Überprüfung deutscher Interessen über die Deutungen, die ggf. (Firmen-)Namen, Zusammenhänge
oder Steuerungsgründe enthielten, laufen lassen können. Angeblich anhand der Deutungen sollen damals,
jedoch noch im „händischen“ Verfahren, die Telefonnummmern von EADS und Eurocopter aufgefallen sein.
Zum anderen hat die NSA teilweise IP-Selektoren geliefert, die als Selektoren gar nicht erkennbar waren
bzw. bei denen nicht erkennbar war, welcher Kommunikationsdienst damit überhaupt erfasst wird. Der Zeuge
H. K., Referatsleiter in der Unterabteilung T2 und Vorgesetzter des Zeugen K. M., der für die Selektorenpürfung zuständig war, hat hierzu ausgesagt:
„Wenn er was nicht erkennen kann als unzulässigen Selektor, weil es bestimmte Kombinationen von Buchstaben und Zahlen sind, dann kann er es auch nicht prüfen.“8234
Das Problem habe insbesondere bei „neuen Medien“ und immer wieder neu auftretenden Kommunikationstypen (z. B. Messenger-Diensten) bestanden.8235 Außerdem seien Hash-Werte als Selektoren verwendet worden,8236 die der BND nicht nachvollziehen konnte.

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Der dieser Textfassung entnommene Text ist in der von den Mitgliedern des Deutschen Bundestages in der Geheimschutzstelle des
Deutschen Bundestages unter Tgb.-Nr. 302/17-GEHEIM einsehbaren „Platzhaltermappe“ auf A-Drs. 603 enthalten, welche die
ebenfalls dort durch diesen Personenkreis einsehbare Textfassung auf A-Drs. 596 unter Tgb.-Nr. 301/17-GEHEIM ergänzt.
W. O., Protokoll-Nr. 59 I, S. 44.
Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 208.
H. K., Protokoll-Nr. 77 I, S. 33.
K. M., Protokoll-Nr. 62, S. 66 f.
Details dazu in eingestufter Sitzung, W. O., Protokoll-Nr. 59 II (Tgb.-Nr. 229/15 – GEHEIM), S. 29 f.

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