Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1495 –
Drucksache 18/12850
NSA vereinbarte Kooperation für den Kabelabgriff in Frankfurt am Main im Rahmen der Operation EIKONAL verstärkte den Druck, den BND notfalls auch rechtswidrig agieren zu lassen.
b)
Nutzung von Ausland-Ausland-Verkehren aus G 10-Abgriffen unzulässig
aa)
Fehlende Rechtsgrundlage
Das rechtliche Problem einer Zweckentfremdnung von G 10-Anordnungen für die Gewinnung von Daten
aus reinen Auslands-Telekommunikationsverkehren war BND und Kanzleramt im Jahr 2004 voll bewusst.
In der Abteilung 2 des BND wurden die verschiedenen Rechtsauffassungen klar benannt: Aus Sicht der Abteilung 2 beruhe die Miterfassung von Ausland-Ausland-Verkehren bei G 10-Maßnahmen auf § 1 Abs. 2 und
§ 3 BND-Gesetz i. V. m. § 8 Abs. 2 BVerfSchG. Nach der Gegenansicht sei das Artikel 10-Gesetz einschlägig, und insbesondere verlange § 27 Abs. 2 Nr. 2 TKÜV bei G 10-Maßnahmen die sog. Routineverkehre
unmittelbar zu löschen.8090
Die Ausleitung und Verwendung der Ausland-Ausland-Verkehre, die mithilfe einer G 10-Anordnung bei der
Telekom erwirkt wurde, war rechtswidrig.
Für einen solchen Abgriff im Inland fehlte es an einer Rechtsgrundlage8091. Der Verweis auf die Aufgabennorm in § 1 BND-Gesetz (Sammeln von Informationen über das Ausland) in Verbindung mit der Befugnis
zur „heimlichen Beschaffung von Informationen“ in § 3 BND-Gesetz, der wiederum auf Befugnisse aus § 8
Abs. 2 BVerfSchG verweist, kann eine spezifische Befugnisnorm für den BND nicht ersetzen. § 8 Abs. 2
BVerfSchG gestattet gerade keine strategische Fernmeldeaufklärung (die das BfV auch gar nicht durchführen
darf) und auch keine anderweitige Überwachung der Telekommunikation. In Absatz 2 sind vielmehr Methoden, Gegenstände und Instrumente der heimlichen Informationsbeschaffung „wie de[r] Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen“ aufgelistet. Die Nichtanwendbarkeit von § 8 Abs. 2 BVerfSchG als Rechtsgrundlage für die strategische Fernmeldeaufklärung des BND ergibt sich auch daraus, dass Maßnahmen der Telekommunikationsund Postüberwachung in anderen Absätzen des § 8 BVerfSchG geregelt sind, wie beispielsweise die Bestandsdaten- und Verbindungsdatenauskunft bei TK-Anbietern im damaligen Absatz 8. In der Erfüllung des
Zitiergebots (damaliger Absatz 12 des § 8), mit dem der Gesetzgeber in diesem Fall auf die Einschränkung
des Grundrechts des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) hinweisen
muss, werden nur die Absätze 6, 8, 9 und 11 genannt, nicht jedoch der Absatz 2.
§ 1 Abs. 2 und § 3 BND-Gesetz i. V. m. dem damaligen § 8 Abs. 2 BVerfSchG konnten daher keine Rechtsgrundlage für die Ausleitung von Ausland-Ausland-Verkehren im Rahmen von G 10-Anordnungen sein.
Auch eine andere Befugnisnorm ist nicht ersichtlich und wurde vom BND auch nicht angeführt.
8090)
8091 )
Siehe hierzu detailliert: Unterrichtung des BND-Präsidenten vom 5. April 2004, MAT A BND-9/1 (Tgb.-Nr. 05/14 – STRENG
GEHEIM, pauschal herabgestuft auf GEHEIM, nur zur Einsicht in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages), Anl. 01,
Ordner 130, Bl. 49-51; MAT A BND-9/6 / BND-17/3, Tgb.-Nr. 20/14 – STRENG GEHEIM, pauschal herabgestuft auf GEHEIM,
nur zur Einsicht in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages), Anl. 08, Ordner 191, Bl. 11; in der Neufassung der TKÜV,
die am 9. November 2005 in Kraft trat, wird die Löschung in Absatz 3 Nr. 2 geregelt.
siehe zur Geltung von Artikel 10 GG auch bei der Ausland-Ausland-Aufklärung eingehend unter V.3.b)b)) EIKONAL Abgriff ohne
G10-Anordnung