Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– 1493 –

Drucksache 18/12850

die Telekom an, dass in paketvermittelten (Transit-)Verkehren immer ein erheblicher Anteil von G 10-geschützter Kommunikation8080 enthalten sei.8081
Um die Operation EIKONAL zusammen mit der NSA weiterbetreiben zu können, sah der BND den einzigen
Ausweg darin, für diese Praxis eine G 10-Anordnung zumindest zum Schein zu erwirken. Der BND begann
daraufhin im August 2004 erneut, die rechtliche Zulässigkeit einer Nutzung von Ausland-Ausland-Verkehren
zu prüfen, die „zufällig“ im Rahmen einer G 10-Maßnahme miterfasst würden. BND-Präsident Hanning
drängte den Abteilungsleiter 6 im Kanzleramt, Ernst Uhrlau, eine Entscheidung zugunsten einer Zulässigkeit
zu treffen. In einem Gesprächsvermerk, der nach der sog. Präsidentenrunde im Kanzleramt vom 17. August
2004 vom BND angefertigt wurde, heißt es:
„Thema wurde bilateral mit AL6/BK aufgenommen. AL6/BK wird die Problematik
nochmals in seiner Abteilung erörtern. Pr BND wies auf die besondere Bedeutung der
Angelegenheit hin und unterstrich dabei, dass nach Auffassung des BND die Ableitung von Routineverkehren nicht vom G10-Gesetz erfasst werde und auch rechtspolitisch jeder Ausweitung der G 10-Kontrollen auf bisher nicht dem Gesetz unterliegende
Verkehre strikt entgegengewirkt werden sollte.“8082
Das BND-Justiziariat (47A) verfasste schließlich Anfang September 2004 eine rechtliche Stellungnahme für
Präsident Hanning, in der diese Rechtsauffassung niedergelegt ist: Ausland-Ausland-Verkehre seien nicht
von Artikel 10 GG geschützt. Sie fielen daher nicht unter das Artikel 10-Gesetz und könnten – auch wenn
sie an einem G 10-Abgriff gewonnen würden – vom BND verwendet werden. Die in § 27 Abs. 2 Nr. 2 Telekommunikationsüberwachungsverordnung (TKÜV)8083 statuierte Löschungsverpflichtung für alle ausgeleiteten TK-Verkehre, die nicht von der entsprechenden G 10-Anordnung erfasst werden, gelte hier nicht.
Mit dieser rechtlichen Stellungnahme im Gepäck versuchte Präsident Hanning, das Kanzleramt von weiteren
rechtlichen Prüfungen abzubringen. In einem BND-Schreiben an den Abteilungsleiter 2 vom 28. September
2004 wird über das Gespräch zwischen Hanning und Uhrlau berichtet,
„[...]8084“8085
Ob und wenn ja welche Prüfungen und Erwägungen in den zuständigen Referaten der Abteilung 6 im Kanzleramt daraufhin stattfanden, erschließt sich aus den Akten nicht. Bei einer Besprechung im Kanzleramt am

8080)

8081)
8082)
8083)
8084)

8085)

Aus Sicht des BND und der Bundesregierung ist nur die Kommunikation in Deutschland und von bzw. mit einem Teilnehmer in
Deutschland von Artikel 10 GG geschützt sowie die Kommunikation von und mit Deutschen im Ausland, sofern sie nicht für eine
ausländische juristische Person kommunizieren („Funktionsträgertheorie“; siehe hierzu Kapitel VIII.1.b) – Rechtswidrigkeit der
BND-eigenen Selektoren.
Näheres dazu in eingestuften Akten in: MAT A BND-9/6 / BND-17/3 (Tgb.-Nr. 20/14 – STRENG GEHEIM, pauschal herabgestuft
auf GEHEIM, nur zur Einsicht in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages), Anl. 05, Ordner 188, Bl. 62-66.
MAT A BND-17/3, Tgb.-Nr. 20/14 – STRENG GEHEIM, pauschal herabgestuft auf GEHEIM, nur zur Einsicht in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages), Anl. 10, Ordner 193, Bl. 55 (offen).
Bis 8. November 2005 war dies in Absatz 2 geregelt; in den Fassungen ab 9. November 2005 in Absatz 3.
Der dieser Textfassung entnommene Text ist in der im Parlamentssekretariat (PD 1) des Deutschen Bundestages von den Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie von den Fraktionen beauftragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einsehbaren, als Verschlusssache „NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ (VS-NfD) eingestuften Textfassung enthalten. Zudem ist er in der von den
Mitgliedern des Deutschen Bundestages in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages auf A-Drs. 596 unter Tgb.-Nr.
301/17-GEHEIM einsehbaren Textfassung enthalten.
MAT A BND-17/3, Tgb.-Nr. 20/14 – STRENG GEHEIM, pauschal herabgestuft auf GEHEIM, nur zur Einsicht in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages), Anl. 10, Ordner 193, Bl. 54 (VS-NfD).

Select target paragraph3