Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1483 –
Drucksache 18/12850
Es muss klargestellt werden, dass ebenso wenig, wie aus der einer Behörde gesetzlich übertragenen Aufgabe
wegen des durch Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten Gesetzesvorbehalts eine konkrete Befugnis zum Eingriff in
grundgesetzliche Freiheitsrechte abgeleitet werden kann, ein Vertrag – und sei es in öffentlich-rechtlicher –
eine Rechtsgrundlage für schwerwiegende Grundrechtseingriffe darstellen kann. Die vertragliche Regelung
einer solchen Aufgabenwahrnehmung für den Staat setzt eine gesetzliche Befugnis der auf staatlicher Seite
auftretenden Stelle für den konkreten Grundrechtseingriff vielmehr voraus.8024 Vor diesem Hintergrund war
es der Telekom verwehrt, die Weitergabe von Daten aus Telekommunikationsvorgängen abseits der formalisierten G 10-Verfahren an den BND frei zu verhandeln. Das Bestehen einer gesetzlichen Befugnis wird in
dem Vertrag mit Hinweis auf die §§ 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 Nr. 4 BNDG offensichtlich vermutet,8025 so dass
der Vertrag selbst auch aus der Sicht der Vertragspartner_innen keine eigenständige Rechtsgrundlage für die
Datenübermittlung darstellen konnte. Das kommt auch in einem Kommentar des Telekom-Bloggers Philipp
Blank aus dem Jahr 2015 zum Ausdruck:
„Ohne gesetzliche Grundlage hätten wir keinen Vertrag geschlossen. Ein Vertrag kann
keine gesetzliche Grundlage ersetzen. Er kann nur die Umsetzung der gesetzlichen
Grundlage regeln.“8026
Der zum 1. Februar 2004 rückwirkend in Kraft gesetzte, von Bernd Köbele für die Telekom und und einem
Unterabteilungsleiter des BND8027 gezeichnete Transitvertrag war indes wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig (§ 134 BGB i. V. m. § 88 Abs. 3 TKG und § 206 StGB, der wegen § 54 Satz 1 VwVfG
auch für öffentlich-rechtliche Verträge Anwendung findet). Er konnte daher nicht zur rechtmäßigen Grundlage einer Ausleitung von Datenströmen an den BND werden.8028
ddd) Zwischenergebnis: Ausleitung erfolgt ohne Rechtsgrundlage
Für die Telekom bestand weder eine gesetzliche Pflicht noch eine sonstige rechtliche Befugnis für die Ausleitung der Datenströme an den BND. Die erforderliche Rechtsgrundlage lässt sich weder aus dem Gesetz
ableiten noch kann sie in dem Schreiben des Bundeskanzleramtes oder dem Geschäftsbesorgungsvertrag
entnommen werden. Schließlich scheidet auch ein rechtsgrundloses Handeln der Telekom im Wege der Verwaltungshilfe für den BND in dessen Verantwortung aus.
8024)
8025)
8026)
8027)
8028)
§ 88 Abs. 3 TKG; vgl. Artikel 10-Gesetz i. V. m. TKÜV (bis 22. Juni 2004: § 85 TKG a. F.).
§ 1 Punkt 1 des Vertrages in der im Internet abrufbaren Version lautet: „Der Auftraggeber [= BND] beabsichtigt im Rahmen seiner
Aufgabenstellung nach §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst vom 20.12.1990 kabelgestützte
leitungs- und paketvermittelte Fernmeldedienste, die ihren Ursprung und ihr Ziel nicht in der Bundesrepublik Deutschland haben
(„Transit“), aufzuklären.“
Philipp Blank, Die Telekom und der Geheimdienst, Antwort auf den Kommentar von U. Krause am 23. Januar 2015 um 9:19 Uhr,
https://www.telekom.com/de/blog/konzern/artikel/die-telekom-und-der-geheimdienst-64772, abgerufen am 16. Mai 2017.
Ricke, Protokoll-Nr. 26 I, S.92 f.; als Rechtsgrundlage wurde gegenüber dem Zeuge Alster das BND-Gesetz angeführt, vgl. Alster,
Protokoll-Nr. 30 I, S. 102.
Vgl. BGH-Urteil vom 10. Oktober 2012 gegen einen Telekom-Mitarbeiter u. a. wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses &
Diskussion um Vertrag mit Inhalt einer Straftat, BGH 2 StR 591/11, Rn. 20 f. in: NJW 2013, 401-404, LG Berlin, 1.3.2012, Az. 57
S 350/11, Rn.7; vgl. Thilo Weichert in: Däubler/ Klebe/ Wedde/ Weichert, Bundesdatenschutzgesetz. Kompaktkommentar zum
BDSG, 4. Aufl. 2014, § 11, Rn. 66.