Drucksache 18/12850
– 1478 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
TKG) und nach der Rechtsprechung des BVerfG8000 dazu verpflichtet, angemessene technische Vorkehrungen oder sonstige Maßnahmen zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses und der Telekommunikations- und
Datenverarbeitungssysteme gegen unerlaubte Zugriffe zu treffen. Schließlich statuiert § 88 Abs. 3 Satz 3
TKG besondere, vom Dienstanbieter in jedem Einzelfall zu prüfende Voraussetzungen für die Verwendung
von Kenntnissen über den Inhalt oder die näheren Umstände der Telekommunikation „für andere Zwecke“
(also z. B. der Auslandsaufklärung durch den BND). Vor diesem Hintergrund kommt der Telekom strukturell
eine eigenständige Verantwortungsposition mit eigenständiger Entscheidungsgewalt wie einem Beliehenen
zu, was eine einseitige, behördliche Zurechnung ihrer Handlungen als bloße Verwaltungshilfe gegenüber
dem BND ausschließt.
Das Verhältnis zwischen Sicherheitsbehörden und Telekommunikationsunternehmen ist besonderer Art. Der
Gesetzgeber hat in den Regelungswerken des TKG, des Artikel 10-Gesetzes sowie der TKÜV ihm einen
spezifischen systematischen gesetzlichen Ausdruck gegeben.8001 Betreiber sind von Gesetz wegen zur Vorhaltung einer Überwachungsinfrastruktur auf eigene Kosten verpflichtet, vgl. § 110 Abs. 1 Nr. 1 TKG. Eine
Datenübergabe darf grundsätzlich nur aufgrund des oben beschriebenen, formalisierten Anordnungsverfahrens erfolgen. Damit soll zum einen sichergestellt werden, dass nicht schon der Geheimdienst selbst die Herausgabe der Daten an sich verlangen kann, sondern eine gubernative Anforderung der jeweils zuständigen
Regierungsstelle erforderlich ist, die ihrerseits schon vorab dem parlamentarischen Kontrollregime von PKGr
bzw. G 10-Kommission unterworfen ist (formale Prüfungsebene). Dies ermöglich zum anderen eine inhaltliche Prüfung der Anordnung im Hinblick auf die Art und den Umfang der auszuleitenden Daten und ermöglicht es der Telekom, die Überwachungsmaßnahme grundrechtsschonend einzuschränken (materielle Prüfungsebene). Indem das G 10-Verfahren umgangen wurde, war es der Telekom tatsächlich sowohl in formaler
wie materieller Hinsicht erschwert, die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Datenübermittlung an den BND
zu prüfen. Das ändert aber nichts an ihrer Verantwortlichkeit.
Auch wenn dem Zeugen Köbele als dem mit der Prüfung Beauftragten insoweit zuzugestehen ist, dass mit
der Zusammenarbeit zwischen der Telekom und den Geheimdiensten in Bezug auf den Transitverkehr vom
Ausland zum Ausland jenseits der bekannten G 10-Maßnahmen scheinbar ungeregeltes Neuland betreten
wurde, hätte dies seitens der Telekom jedoch zur Feststellung des Fehlens bereichsspezifischer Übermittlungsregelungen und damit zur Verweigerung der begehrten Überwachungsmaßnahmen führen müssen.
Denn für verdeckte Überwachungsmaßnahme hatte das BVerfG schon 1999 festgestellt,8002 dass sie einen
besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstellen, die den Gesetzgeber sowohl zu rechtlichen als
auch tatsächlichen Beschränkungen verpflichten, um eine mit dem Grundgesetz unvereinbare „globale und
pauschale Überwachung“ auszuschließen.8003 An derartig qualifizierten Ermächtigungsgrundlagen, die Gegenstand, Ausmaß und Modalitäten der Überwachung begrenzen,8004 fehlte es 2003 allerdings. Keineswegs
8000)
8001)
8002)
8003)
8004)
BVerfGE 125, 260 (348), http://www.bverfg.de/e/rs20100302_1bvr025608.html.
Vgl. §§ 110–114 TKG (in der Fassung vom 22. Juni 2004 sowie der Fassung vom 31. Oktober 2006), § 2 Artikel 10-Gesetz (in der
Fassung vom 22. Juni 2004) und § 5 Artikel 10-Gesetz (in der Fassung vom 26. Juni 2001, § 8 Abs. 8 BVerfSchG (in der Fassung
vom 9. Januar 2002; seit dem Gesetz zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom 5. Januar 2007 in § 8a Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 BVerfSchG geregelt) sowie in § 2a BNDG (seit dem Gesetz vom 23. Dezember 2016 nunmehr in § 3 BNDG) und in § 4
MADG.
BVerfGE 100, 313 (376, 391 f.), https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html.
BVerfGE 67, 157 (174), http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv067157.html .
BVerfGE 100, 313 (376 f., 384), https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html.