Drucksache 18/12850

– 1474 –

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten unter einem Erlaubnisvorbehalt.7981
Jegliche Datenverwendung muss daher aufgrund einer gesetzlichen Befugnis erlaubt sein oder auf die Einwilligung des Betroffenen gestützt werden können. Wegen der Heimlichkeit der Ausleitung von Datenströmen durch den TK-Anbieter scheidet eine Einwilligung der Nutzer_innen dieser Infrastrukturangebote regelmäßig aus. Es bedarf einer spezialgesetzlichen Ermächtigung. Für die Weitergabe von Kenntnissen aus
Kommunikationsvorgängen stellt darüber hinaus § 88 Abs. 3 TKG als Spezialgesetz die zusätzliche Hürde
einer gesonderten gesetzlichen Regelung auf. Nach dieser gesetzlichen Übermittlungsvoraussetzung wäre
daher auch eine (mutmaßliche) Einwilligung der Betroffenen nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es nach
§ 88 Abs. 3 Satz 3 TKG (damals § 85 Abs. 3 Satz 3 TKG a. F.) im verfassungsrechtlich durch Art. 10 GG
verbürgten Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses in jedem Einzelfall einer spezialgesetzlichen Ermächtigung7982 für „eine Verwendung dieser Kenntnisse für andere Zwecke, insbesondere die Weitergabe an andere“ (zur Reichweite des Schutzbereichs von Art. 10 siehe oben V.3.b)bb)). Eine solche Verpflichtung der
TK-Anbieter zur Erteilung von Auskünften gegenüber den Sicherheitsbehörden ist für Verbindungs- und
Verkehrsdaten in § 113 TKG sowie für das Abschöpfen von Inhaltsdaten in § 2 Artikel 10-Gesetz geregelt.
Beide Ermächtigungsbestimmungen für die TK-Dienstleister setzen jedoch ihrerseits entsprechende Erhebungsbefugnisse der Sicherheitsbehörden voraus.
Das gesetzlich vorgesehene Verfahren für Abhörmaßnahmen nach den §§ 5 ff. Artikel 10-Gesetz wurde jedoch gerade nicht angewendet.
ccc) Formalisiertes Anordnungsverfahren: das G 10-Regime
Ob eine G 10-Anordnung den Abgriff von Transitdaten in diesem Umfang überhaupt hätte rechtfertigen
könne, ist an dieser Stelle nicht zu klären (vgl. dazu die Ausführungen unten V.4 – EIKONAL – G 10-Anordnung als „Türöffner“). Nachfolgend soll lediglich das „übliche Verfahren“ kurz dargestellt werden.
Jenseits von Individualmaßnahmen, die nur aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Verdacht terroristischer Vorbereitungshandlungen, des Landes-, Hoch- oder Friedensverrats, der gewerblichen Schleusungskriminalität oder nunmehr auch einer Straftat nach dem Völkerstrafgesetzbuch nach § 3 Artikel 10-Gesetz
oder nach § 100a der StPO bzw. einschlägiger Regelungen in den Landespolizeigesetzen gegen konkrete
Personen ergehen dürfen, dient die strategische Fernmeldeaufklärung des BND erst der Gewinnung von Verdachtsmomenten in Bezug auf Proliferation von Gütern, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen,
Terrorismus, schwere Geldwäsche und Migrationsdelikte. Hier werden bestimmte Telekommunikationsverkehre von Deutschland ins Ausland oder umgekehrt wie bei einer Rasterfahndung nach bestimmten Suchbegriffen (Selektoren) gefiltert. Diese strategische Fernmeldeaufklärung richtet sich nach § 5 Artikel 10-Gesetz.

7981)
7982)

Vgl. Bettina Sokol, in: Simitis (Hrsg.), Bundesdatenschutzgesetz, 7. Auflage, Baden-Baden 2011, § 4 Rn. 4 ff.; so auch BGH 2 StR
591/11, Rn. 23 in: NJW 2013, S. 401-404.
§ 88 Abs. 3 Satz 3 TKG (§ 85 Abs. 3 Satz 3 TKG a. F.) setzt insofern für eine zweckfremde Verwendung der Daten bzw. eine
Weitergabe voraus, dass entweder das TKG selbst oder „eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich
auf Telekommunikationsvorgänge bezieht.“

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