Drucksache 18/12850
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
verbeamteten Personals in eine Aktiengesellschaft umgewandelt,7963 an welcher der Bund gegenwärtig insgesamt 31,79% der Anteile hält.7964 2003 waren es noch 42,77%,7965 die von einer Anstalt des öffentlichen
Rechts ohne hoheitliche oder die Unternehmenstätigkeit betreffende Aufgaben wahrgenommen werden.7966
Das Monopol zum Aufbau von Telekommunikationsnetzen fiel 1996 mit dem Inkrafttreten des – das FAG
ersetzenden – Telekommunikationsgesetzes (TKG) und 1998 auch das Sprachtelefondienstmonopol der Telekom. Der Zeuge Wolfgang Alster, 2003 als Dienststellenleiter des Regionalstelle für staatliche Sonderauflagen (ReSA) der Telekom in Frankfurt am Main tätig, erklärte bei seiner Befragung im Ausschuss, zu diesem
Zeitpunkt sei die Telekom trotz der Liberalisierung des Marktes faktisch „noch Halbmonopolist“ gewesen.7967
2004 trat eine Neufassung des TKG in Kraft, die nicht nur wie bis dahin schon Verpflichtungen der TKBetreiber zur Erteilung von Auskünften gegenüber Ermittlungsbehörden und Nachrichtendiensten (§ 90
TKG a. F., §§ 113 ff. TKG) und zur Ermöglichung staatlicher Überwachungsmaßnahmen (§ 88 TKG a. F.,
§ 110 TKG) begründete, sondern in § 114 TKG auch erstmals explizit die Auskunftsersuchen des BND über
die Strukturen der Telekommunikationsdienste und -netze (sog. Strukturanalysen) regelte.
Nach der damaligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) sollten nur solche gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen mit staatlicher Beteiligung einer Grundrechtebindung unterliegen, die auch öffentliche
Aufgaben erfüllen.7968 Im Rahmen dieser Aufgabenerfüllung sollten sie nach einer Entscheidung des BVerfG
von 1990 auch keinen Grundrechtsschutz genießen können,7969 jenseits dessen hingegen „durch Grundrechte
geschützt, aber nicht gebunden“ sein.7970 Entsprechend ging auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
in einer Reihe von Entscheidungen davon aus, dass die Telekom in ihrer Rolle als Marktteilnehmerin durch
die grundrechtliche Berufs- und Eigentumsfreiheit (Art. 12 bzw. 14 GG) geschützt sei.7971 Für die Grundrechtsbindung gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen wurde weiterhin danach differenziert, ob das Unternehmen von der öffentlichen Hand „beherrscht“ werde, insbesondere weil diese die Mehrheit der Anteile
hält. Der Staat sollte innerbetrieblich verpflichtet sein, der Verletzung von Grundrechten durch seinen Einfluss vorzubeugen, das Unternehmen demgegenüber dazu, sich an den Grundrechten und sonstigen für die
Verwaltung unabdingbaren öffentlich-rechtlichen Bindungen zu orientieren.7972 Das Unterlassen einer gebotenen staatlichen Einwirkung wurde als mittelbarer Grundrechtseingriff gewertet. Bei seiner Einflussnahme
sollte der Staat jedoch strikt auf die ihm nach dem Gesellschaftsrecht zustehenden Einwirkungsrechte festgelegt sein, was dessen Einflussnahme insbesondere auf eine Aktiengesellschaft wie der Telekom freilich
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In der dafür notwendigen Anpassung des Grundgesetzes wurden die Bestimmungen des Art. 87 GG, nach denen die Deutsche
Bundespost in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt werden musste, geändert und mit dem neu
geschaffenen Art. 87 f GG ein Privatisierungsauftrag sowie in dessen Abs. 2 eine Verpflichtung zur Liberalisierung des TK-Marktes
geschaffen.
Mit 14,34% unmittelbar und mit 17,45% mittelbar über die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), vgl. Bundesministerium der Finanzen, Die Beteiligungen des Bundes, Beteiligungsbericht 2016, S. 13, 35 f.
Deutsche Telekom AG, Geschäftsbericht 2003, S. 39.
Vgl. Peter M. Huber, Öffentliches Wirtschaftsrecht, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/ Friedrich Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Auflage, Berlin 2008, S. 448 f.
Alster, Protokoll-Nr. 30 II – Auszug offen, S. 24.
BGHZ 36, 91, 95 f.; 91, 84, 96 f. Im Übrigen sollten die privatwirtschaftlich agierenden staatlichen Organe wie Privatrechtssubjekte
behandelt werden.
BVerfG NJW 1990, 1783; ähnlich VerfGH Berlin, DÖV 2005, 515 ff. (unabhängig davon, ob die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betroffen ist).
Vgl. Dirk Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in: Hans-Uwe Erichsen/ Dirk
Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage, Berlin 2005, S. 157.
BVerwGE 114, 160 (189); 118, 226 (238); BVerwG NVwZ 2004, 745.
Vgl. Dirk Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in: Hans-Uwe Erichsen/ Dirk
Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage, Berlin 2005, S. 157