Drucksache 18/12850

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

unterliegt.“7941 Anders als in § 8 Abs. 3a BNDG a. F. hat der Gesetzgeber einen grundrechtsbeschränkenden
Willen gerade nicht dokumentiert.7942 Es ist insofern davon auszugehen, dass das BNDG das Vorliegen anderer Befugnisnormen voraussetzt, die ihrerseits einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis erlauben, namentlich das Artikel 10-Gesetz. Ferner ist die Auffassung, bei Routine- bzw. Ausland-Ausland-Verbindungen ohne Deutschlandbezug sei Art. 10 GG nicht betroffen, nach dem Vorstehenden nicht haltbar. Verstößt
ein Gesetz gegen das Zitiergebot, ist es in dieser Hinsicht formell verfassungswidrig. Somit konnten die §§ 1
und 2 BNDG schon aus formellen Gründen gar keine Grundlage für einen Zugriff auf Daten, die durch das
Fernmeldegeheimnis geschützt sind, bilden.7943
fff)

Keine bereichsspezifische und klare Regelung

Wenn Gesetze dazu berechtigen sollen, in das Fernmeldegeheimnis einzugreifen, sind besondere Anforderungen an diese zu stellen. An so einer hinreichenden spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage, die den BND
hierzu ermächtigt hätte, fehlte es aber. §§ 1 und 2 BNDG verletzen auf materieller Ebene auch das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG. Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis bedürfen
einer klaren und bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage. Am 3. März 2004, also während der Anfänge von EIKONAL, wirkten die damaligen Richter Papier und Hoffmann-Riem an einem Urteil des
BVerfG mit, das die Normenbestimmtheit und -klarheit betreffend Art. 10 GG konkretisierte.7944 Die rechtliche Grundlage muss abstrakt einen Eingriff explizit offenlegen und den Zweck der Verwendung „bereichsspezifisch und präzise“ fassen.7945 Ziel des Bestimmtheitsgebots sind die Erkennbarkeit der Rechtslage, eine
Begrenzung des Entscheidungsspielraums in der Verwaltung und die Effektivierung gerichtlicher Kontrolle.7946 Konkrete Anforderungen richten sich nach der Intensität der Eingriffe. Bei geheimen Maßnahmen
mit großer Streubreite kommt gesetzlichen Vorgaben ein besonderes Gewicht zu.7947 Für Maßnahmen der
strategischen Fernmeldeüberwachung muss die gesetzliche Klarstellung besondere Regelungen für zeitliche,

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Bertold Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite, in:
NJW 2013, S. 2572 (2576)
Papier, MAT A SV-2/2, S. 7.
Vgl. Johannes Caspar, Strategische Auslandsüberwachung – Jenseits der Grenze des Rechtsstaats?, in: PinG 2014, H. 1, S. 4; vgl.
Matthias Bäcker, Strategische Telekommunikationsüberwachung auf dem Prüfstand, in: K&R 2014, S. 556 (560); Bertold Huber,
Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite, in: NJW 2013, S.
2572 (2576).
BVerfGE 110, 33 – 76, https://www.bverfg.de/e/fs20040303_1bvf000392.html, Rn. 103ff; diesen Einwand gegen § 1 BNDG brachten die Beschwerdeführer_innen im G 10-Verfahren schon 1999 vor, damals wurde allerdings nicht diesbezüglich entschieden, vgl.
Beschwerdeführer_innen in BVerfGE 100, 313-403, https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html, Rn. 70.
BVerfGE 100, 313-403, https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html, Rn. 165 und 259; vgl. BVerfGE 110, 33 – 76,
https://www.bverfg.de/e/fs20040303_1bvf000392.html,
Rn.
107;
BVerfGE
125,
260-385,
http://www.bverfg.de/e/rs20100302_1bvr025608.html, Rn.226; vgl. Hans-Jürgen Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ – Extra 15/2016, S. 1 (8).
Vgl. BVerfGE 100, 313-403, https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html, Rn. 280; BVerfGE 110, 33 – 76,
https://www.bverfg.de/e/fs20040303_1bvf000392.html, Rn. 109f: „Je ungenauer die Ziele einer Normierung und die Anforderungen an die tatsächliche Ausgangslage gesetzlich umschrieben sind, umso schwerer fällt die Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit einer Überwachungsmaßnahme.“
Vgl. BVerfGE 100, 313-403, https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html, Rn. 270.

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