Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

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Drucksache 18/12850

„Ich möchte es ein bisschen qualifizieren: Ist in dem Moment freigegeben, in dem ein
bestimmtes Ziel dahintersteckt, denn ansonsten wären wir wieder bei der anlasslosen
Geschichte (…) Das heißt sie brauchen eine entsprechende Steuerung, Sie brauchen
zusätzliche Informationen, und dann können Sie danach suchen.“7936
Die Aufstellung von grundrechtsfreien Kategorien im Fernmeldebereich widerspricht verfassungsrechtlicher
Wertungen und steht dem BND nicht zu. Solche Rechtsanwendung stellt ein Überstrapazieren der geltenden
Rechtslage durch maßlose Auslegung dar, die den Blick auf die Grundrechte verliert und die Geltung des
Fernmeldegeheimnisses für Nicht-Deutsche im Ausland in Abrede stellt. Geheimdienst und Bundesregierung
haben sich das Recht zurechtgebogen, um ihre Anliegen und Interessen durchzusetzen, anstatt sich einer
parlamentarischen Debatte über die Reichweite geheimdienstlicher Praxis zur Ausland-Ausland-Überwachung zu stellen und die verfassungsrechtlichen Grenzen zu berücksichtigen. Der Zeuge Breitfelder beschrieb seinen Umgang mit rechtlichen Grenzen:
„Damit begann auch das Problem, sich an dieses Recht so zu halten, dass auch immer
noch ein Nutzen rauskommt – was nicht bedeuten soll, dass wir jetzt am Recht rumgefummelt hätten.“
Die Betonung liegt alleine auf der Aufgabe des Geheimdiensts. Um sie auszufüllen, scheint jedes technisch
mögliche Mittel auch opportun. Aus einer Aufgabennorm kann sich aber nie eine Befugnis ableiten lassen,
in Grundrechte einzugreifen. Dazu bedarf es vielmehr bereichsspezifischer Gesetze. Da der BND dergleichen
nicht hatte, stellte er kurzerhand die Grundrechte für seine Handlungen in Abrede anstatt die Beschränkung
der eigenen Befugnisse festzustellen und gegebenenfalls eine Erweiterung durch den Gesetzgeber zu diskutieren. Der BND darf sich auch nicht virtuell ins Ausland flüchten.
eee) Verletzung des Zitiergebots
§§ 1 und 2 BNDG enthielten keinen expliziten Bezug auf das Fernmeldegeheimnis oder auch eine Nennung
des Art. 10 GG. Sie verletzten damit das Zitiergebot aus Art. 10 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 1 Satz 2
GG, nachdem das Fernmeldegeheimnis samt Artikel ausdrücklich in der möglicherweise eingreifenden Norm
genannt sein muss.7937 Der Zweck besteht in einer „Warn- und Besinnungsfunktion“ gegenüber dem Gesetzgeber, um vor versehentlichen Grundrechtseingriffen zu schützen, und stellt ihn zugleich rechenschaftspflichtig.7938 Der Gesetzgeber muss den Überblick über Überwachungsmaßnahmen behalten, um „kontrollfreie Räume“7939 und eine „globale und pauschale Überwachung“7940 vermeiden zu können. Huber schließt
daraus, dass die Verantwortlichen bei den Gesetzesnovellen seit 1999 „schlichtweg nicht zur Kenntnis nehmen wollten, dass auch die Speicherung und Nutzung von Telekommunikationsdaten, die der BND im Rahmen der Ausland-Ausland-Überwachung gewonnen hat, den grundrechtlichen Bindungen des Art. 10 GG

7936)
7937)
7938)
7939)
7940)

T. B., Protokoll-Nr. 20 I, S. 44.
Vgl. BVerfGE 130, 151–212, https://www.bverfg.de/e/rs20120124_1bvr129905.html, Rn. 173.
BVerfGE 64,
72-86,
Rn.
29,
in:
NJW 1983,
2869-2870
Rn.
29;
BVerfGE
129,
https://www.bverfg.de/e/rs20111012_2bvr023608.html, Rn. 178.
Schaar, Protokoll-Nr. 31 I, S. 28.
BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999, 1 BvR 2226,/94, https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html , Rn. 221.

208–268,

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