Drucksache 18/12850
– 1466 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
bbb) § 1 Abs. 2 BNDG
Die Bundesregierung vertrat seit dem G 10-Urteil die Ansicht, Abgriffe auf § 1 BNDG stützen zu können.7930
Diese Norm des BNDG schreibt dem Geheimdienst die Aufgabe zu, erforderliche Informationen zu sammeln,
um Erkenntnisse über das Ausland von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung zu gewinnen.7931 Inhaltlich ist die Regelung pauschal und weit gefasst. Sie enthält keine Tatbestandsvoraussetzungen, die ein Abgriff
konkret zu erfüllen hätte. Der Sachverständige Bäcker beschrieb plastisch die möglichen Konsequenzen eines
Abgriffs auf dieser Grundlage:
„Wäre dem zu folgen, so könnte der BND Daten über solche Auslandsverkehre annähernd nach Belieben erheben, auswerten, bevorraten und übermitteln.“7932
Er folgerte:
„Grenzen der strategischen Auslandsaufklärung ergeben sich danach praktisch nicht
aus dem Recht, sondern fast ausschließlich aus den Ressourcen des BND und dem
Ethos seiner Bediensteten.“7933
ccc) § 2 Abs. 1 BNDG
Der Zeuge Burbaum, zu Beginn von EIKONAL G 10-Jurist im BND, befand die allgemeine Befugnisnorm
des § 2 BNDG für die Überwachung der „Routine“-Verkehre einschlägig.7934 Sie beinhaltet grundlegende
Regelungen über zulässige Zwecke einer Datenerhebung, deren Verhältnismäßigkeit und den Umgang mit
Betroffenen. Die Norm verweist immerhin auf datenschutzrechtliche Grenzen und stellt die Datenerhebung
u.a. unter den Vorbehalt, dass sie sich auf Vorgänge im Ausland von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung beziehen und ihr Informationsgehalt nicht auf andere Weise zu erlangen ist oder in eine alternative
Behördenzuständigkeit fällt. Systematisch enthält sie nur in Abs.1a der damaligen Fassung detaillierte Voraussetzungen, und zwar über das Einholen von Finanzauskünften. Verfahrensrechtliche Vorgaben für geheime Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis macht sie jedoch keine. Für einen Abgriff von Telekommunikationsverbindungen bildet sie keine Grundlage.
ddd) Zurechtbiegen des Rechts
„Solange keine Grundrechtsträger betroffen sind, sind die zum Abschuss freigegeben.“7935
So formulierte es der Zeuge T. B. und weiter:
7930)
7931)
7932)
7933)
7934)
7935)
Vgl. A. F., Protokoll-Nr. 41 I, S. 155; Auffassung der Bundesregierung, wiedergegeben in BVerfGE 100, 313-403,
https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html, Rn. 97; dazu auch Bäcker, MAT A SV-2/3, S. 17; Betrold Huber, BNDGesetzreform – gelungen oder nachbesserungswürdig?, in: ZRP 2016, S. 162 (163).
Die Debatte findet ihren Anlass im Wortlaut des § 1 „im Geltungsbereich dieses Gesetzes erhoben“, so auch Graulich, MAT A SV11/2, S. 32 ff; kritisch: Bäcker, MAT A SV 2/3, S. 17.
Bäcker, MAT A SV 2/3, S. 1.
Matthias Bäcker, Strategische Telekommunikationsüberwachung auf dem Prüfstand, in: K&R 2014, S. 556 (559f.)
Burbaum verwies auf § 2 in Zusammenhang mit § 3 BNDG a. F., Protokoll-Nr. 24 I, S. 24 f.
T. B., Protokoll-Nr. 20 I, S. 44.