Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

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Drucksache 18/12850

Kein rechtfertigendes Gesetz

Dem BND stand keine Befugnis zu, Transitverkehre und ausländische Binnenkommunikation in Frankfurt
am Main abzugreifen.7923 Seine Abgriffe, insbesondere von Telefonie- und Fax-Datenströmen, waren rechtswidrig und verstießen gegen das Grundgesetz.
aaa) BND auf Abwegen
Unter den Stichworten „Transit“ und „Routine“, beides Bezeichnungen für Kommunikationsverbindungen
mit den Endpunkten im Ausland – also ausländische Binnenkommunikation oder internationale AuslandAusland-Verkehre, überwachte der BND massenhaft Datenströme ohne ausreichende Rechtsgrundlage. 7924
Im BND wurde die „Routine“-Kategorie als vermeintlicher Gegenbegriff zu sogenannten G-10-Verkehren
gehandelt. Eben diese Verbindungen waren besonders wichtig für den Geheimdienst. Bertold Huber sowie
Hans-Jürgen Papier bezeichneten die Routineverkehre als das „Kerngeschäft“ des Geheimdienstes.7925 Ernst
Uhrlau, damals Abteilungsleiter 6 im Bundeskanzleramt und später Präsident des BND:
„Routineverkehre sind für den BND vielfach sehr viel relevanter als die eingegrenzten
G-10-Erfassungen, weil die Routineverkehre das breitere Auftrags- und Interessenprofil der Bundesregierung berühren.“7926
Mitarbeiter_innen des BND stützten deren Abgriff gegenüber dem Ausschuss auf die allgemeine Aufgabenbeschreibung sowie die Generalbefugnis im damaligen BND-Gesetz und damit auf pauschale Regelungen
ohne viel Gehalt. Demgegenüber war die anlasslose und umfassende Überwachung von Auslandsverkehren
zum damaligen Zeitpunkt mit § 5 Artikel-10-Gesetz abschließend geregelt.7927 In der von der Bundesregierung abgesegneten Praxis des BND spielte diese Regelung jedoch keine Rolle für die Erhebung von AuslandAusland-Verkehren,7928 außer dass G 10-Maßnahmen zum Anlass genommen wurden, eigenständige Routine-Erhebungen durchzuführen.
Huber, Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt am Main und langjähriger stellvertretender Vorsitzender
der G 10-Kommission, geht deswegen von einer jahrelangen „rechtswidrigen Praxis der Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung“ aus.7929

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Bertold Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite, in:
NJW 2013, S. 2572 (2576); Papier, MAT A SV-2/2, S. 14; zu § 1 BNDG Bäcker, MAT A SV-2/3, S. 16.
Vgl. Dr. Burbaum, Protokoll-Nr. 24 I, S. 28.
Bertold Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite, in:
NJW 2013, S. 2572 (2575); Hans-Jürgen Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ – Extra 15/2016, S. 1 (6).
Uhrlau, Protokoll-Nr. 53 I, S. 39.
In der Fassung vom 26. Juni 2001; die Frage, ob sich Ausland-Ausland-Verkehre unter § 5 überhaupt fassen lassen, ist davon
unabhängig; Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit von § 5 Abs. 2 Artikel 10-Gesetz wegen Verletzung des Gleichheitssatzes
aus Art. 3 Abs. 1 GG bei Berthold Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse
und Regelungsdefizite, in: NJW 2013, S. 2572 (2574); sowie bei Hans-Jürgen Papier, , Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ – Extra 15/2016, S. 1 (7); vgl. Matthias Bäcker, Strategische Telekommunikationsüberwachung auf dem Prüfstand, in: K&R 2014, S. 556 (558 f) zur weiteren Entwicklung einer unscharfen Qualität
bis hin zur „Faustregel“.
Die Bundesregierung legt den Wortlaut von § 5 Artikel 10-Gesetz („internationale Verkehre“) eng aus und versteht darunter nur
die Verkehre mit einem Endpunkt in Deutschland und einem im Ausland; vgl. Darstellung bei Bäcker, MAT A SV-2/3, S. 10.
Bertold Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungswürdig?, in: ZRP 2016, S. 162 (165).

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