Drucksache 18/12850
6.
– 1434 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Massenüberwachung aus US-amerikanischer Sicht
Vor dem Hintergrund der Kooperationen des BND mit der NSA, aber auch der Betroffenheit von Bundesbürger_innen durch Überwachungsmaßnahmen des US-amerikanischen Geheimdienstes, ist ein Blick auf die
dortige Debatte um das Thema Massenüberwachung wichtig.
Seit der Aufdeckung der massenhaften Überwachung der NSA 2005 wurde in den Vereinigten Staaten von
Amerika ein Prozess der Verrechtlichung begonnen, welcher extra- und illegale Praktiken der NSA gesetzlich
absichern sollte.7789 Hierzu wurde der Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) mehrfach geändert7790
und so Ermächtigungsgrundlagen für die NSA geschaffen. Daneben führte die Exekutive mit Billigung des
Gesetzgebers aber auch Überwachungsmaßnahmen im Rahmen von sog. Executive Orders fort.7791
Den rechtlichen Rahmen für eine massenhafte Überwachung im oben erläuterten Sinne setzt dabei in den
Vereinigten Staaten der Vierte Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung7792, also das berechtigte Vertrauen auf den Schutz der Privatsphäre. Nach der Rechtsprechung des Supreme Courts genießen allerdings
lediglich die Inhaltsdaten von US-Personen den Schutz dieses Zusatzartikels. Denn nach der sog. ThirdParty-Doctrine können sich Individuen grundsätzlich nicht auf den Vierten Zusatzartikel berufen, soweit sie
Dritten freiwillig ihre Daten offenbart haben. Diese Doktrin wird von Behörden und dem United States Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) mit Relevanz für die Programme PRISM und UPSTREAM auch
auf E-Mails und Internetkommunikation angewandt.
Die Anfang Juni 2015 beschlossene Reform des Freedom Act enthält lediglich geringfügige Beschränkungen
im Hinblick auf die Erfassung insbesondere der Telefonate von US-Bürger_innen. Im Übrigen wurde in den
einfachgesetzlichen Regelungen bewusst mit Öffnungsklauseln gearbeitet, um den Diensten die Nutzungsmöglichkeit rechtlicher Grauzonen zu ermöglichen. Die weiteren Änderungen betrafen insbesondere die gerichtliche Kontrolle durch den FISC und die Berichtspflichten der Dienste gegenüber den parlamentarischen
Aufsichtsgremien.
In einer sog. Presidential Policy Directive des Weißen Hauses7793 von 2014 wurde zur Bezeichnung einer
Massenüberwachung der Begriff der „bulk collection“ verwendet. „Bulk collection“ in diesem Sinne (der
Dienste) meint die Sammlung und Speicherung von Daten ohne jegliche Filterung und wird abgegrenzt von
„targeted programms“, in welchen Daten von der NSA zwischengespeichert und durchsucht werden oder die
mit der Anwendung von Selektoren funktionieren. Diese Auslegung der Begriffe ist freilich wohlfeil, da sie
offensichtlich darauf abzielt, die Programme PRISM und UPSTREAM aus der Definition der Massenüberwachung herauszuhalten, obwohl diese doch gerade einer Erfassung von Datenmassen dienen. Dies wird
umso deutlicher, als auch die gezielte („targeted“) Überwachung von den Diensten eng ausgelegt wird, um
7789)
7790)
7791)
7792)
7793)
Vgl. Thomas Wischmeyer, Überwachung ohne Grenzen – Zu den rechtlichen Grundlagen nachrichtendienstlicher Tätigkeiten in
den USA, Nomos 2017, S. 21.
2005 durch den USA Patriot Act Improvement and Reauthorization Act, 2007 durch den Protect America Act und 2008 durch den
FISA Amendments Act.
Vgl. Thomas Wischmeyer, Überwachung ohne Grenzen – Zu den rechtlichen Grundlagen nachrichtendienst-licher Tätigkeiten in
den USA, Nomos 2017, S. 22.
Dieser lautet: „The right of the people to be secure in their persons, houses, papers, and effects, against unreasonable searches and
seizures, shall not be violated, and no Warrants shall issue, but upon probable cause, supported by Oath or affirmation, and particularly describing the place to be searched, and the persons or things to be seized.”
The White House, Presidential Policy Directive – Signals Intelligence Activities, Policy Directive 28 (Jan. 17, 2014).