Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1423 –
Drucksache 18/12850
davon aus, dass entsprechend dem Willen des Gesetzgebers „jedes situative Mitgliederviertel“ im Ausschuss
ein „eigenständiges Antragsrecht“ habe.7756 Diese Auffassung war dabei ersichtlich auch deshalb die richtige,
weil andernfalls auch die – grundsätzlich auch vom BVerfG betonte – Gleichheit aller Abgeordneten im
Ausschuss nicht mehr gewahrt werden kann. Um es auch den Koalitionsfraktionen zu verdeutlichen: Auch
zwei ihrer Abgeordneten aus unterschiedlichen Fraktionen können künftig derartige Anträge nicht mehr stellen, auch wenn jede dieser beiden Fraktionen über ein Viertel der Mitglieder des Bundestages verfügt und
die beiden Abgeordneten ein Viertel der Mitglieder des Ausschusses bilden. Folgeschaden des Abwehrkampfes der Koalitionsfraktionen gegen eine sachgerechte Aufklärung durch Vernehmung des Zeugen Snowdens
ist also auch die Durchbrechung des Grundsatzes der Gleichheit aller Abgeordneten im Ausschuss.
Wie schon oben angedeutet (siehe dort Behauptung der Zeuge sei Agent) ist im Übrigen Kollateralschaden
des Verhaltens der Gegenseite in Sachen Vernehmung des Zeugen Snowden die Wahrheit. Die Koalitionsfraktionen behaupten insoweit u.a. bis zum heutigen Tage, hier sei es nur um das „wie“ und nicht um das
„ob“ der Vernehmung des Zeugen gegangen. Dies ist wie auch die Ermittlungsrichterin des BGH festgestellt
hat, ersichtlich falsch.7757 Denn der Zeuge stand dem Ausschuss als solcher nur in Deutschland zur Verfügung. Um die Abgabe von allgemeinen Statements, wie sie Herr Snowden andernwärts gehalten hat, ging es
bei einer Aussage des Zeugen vor dem Ausschuss von vorneherein nicht. Erforderlich gewesen wäre eine
vertiefte Befragung des Zeugen. Dass der Zeuge diese nur unter dem Schutz des Landes durchführen wollte,
das ein Interesse hatte (und hat), ihn vertieft zu befragen, versteht sich von selbst. Angesichts der schwierigen
Einschätzung zur Lage in Russland haben die Oppositionsfraktionen insoweit volles Verständnis für die Haltung des Zeugen.
a)
Die Feigheit der SPD
Die VertreterInnen der Mehrheit haben über drei Jahre einen beachtlichen Spagat vollbracht: der Zeuge Edward Snowden wurde direkt nach der Einsetzung des Ausschusses einstimmig beschlossen. Die restliche Zeit
verbrachten sie gemeinsam mit der Bundesregierung damit, seine Ladung für eine Aussage vor dem Untersuchungsausschuss zu verhindern. Begleitet wurde dies durch die stetige Wiederholung, wie wichtig seine
Aussage für den Ausschuss sei. Das Ganze gipfelt nun in der Unterstellung im Bewertungsteil der Mehrheit,
die Opposition hätte die Aussage verhindert.
Die SPD hat sich dabei in besonderer Weise hervorgetan. Um nur ein – besonders illustratives – Beispiel zu
nennen:
Im Oktober 2015 beantragte die Opposition, der Ausschuss möge die Konkretisierung der Ladung Edward
Snowdens beschließen und darüber hinaus die Bundesregierung ersuchen, unverzüglich die Voraussetzungen
für seine Vernehmung in Deutschland zu schaffen.
In der Beratungssitzung am 15. Oktober beantragte die SPD, den zweiten Teil des Antrags der Opposition zu
vertagen – den ersten lehnte die Mehrheit sofort ab.7758.
7756)
7757)
7758)
Gärditz in Waldhoff/Gärditz, PUAG, § 17, Rdnr. 32.
Beschluss vom 11. November 2016 (1 ARs 1/16; Absatz-Nr. 33), http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/16/1-bgs-125-16.php.
Beratungsprotokoll-Nr. 66, S. 4 f.