Drucksache 18/12850
– 1386 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Der Sachverständige Anderson widersprach dem Vorwurf einer „Massenüberwachung“ bei der Anhörung
durch den Ausschuss vehement. Er kenne durch die Ausübung seines Amts zahlreiche Mitarbeiter der Nachrichtendienste GCHQ, MI6 und MI5: „Die Vorstellung, dass diese Menschen unsere Bevölkerung unter vollständiger Kontrolle halten würden, ist einfach lächerlich." Die Massenerfassung von Daten in der Novelle
des britischen Nachrichtendienstgesetzes sei aber zur Kriminalitätsbekämpfung und Terrorabwehr durchaus
sinnvoll. Sie unterläge klaren Regeln und strikten Kontrollmechanismen. Es gelte immer, zwischen dem
Schutz der Privatsphäre und der öffentlichen Sicherheit abzuwägen. Diesen Anforderungen werde das britische Recht aus seiner Sicht nun gerecht. Auch Dank größerer Transparenz habe sich die Debatte in Großbritannien seit der Veröffentlichung der Snowden-Dokumente wieder entspannt.
Hinweise auf deutsch-britische Kooperationen im Bereich der strategischen Fernmeldeaufklärung oder auf
die Beteiligung deutscher Stellen an einer wie auch immer gearteten „Massenüberwachung“ der Kommunikation deutscher Bürger durch britische Nachrichtendienste hat der Ausschuss im Zuge der Sachverständigenanhörung wie auch der sonstigen Beweisaufnahme nicht erhalten. Entsprechende Behauptungen entbehren jeder Grundlage.
d)
Abschließende Bewertungen
Der Ausschuss begrüßt, dass es auch in Großbritannien im Zuge der Snowden-Veröffentlichungen eine kritische Auseinandersetzung mit der Arbeit der Nachrichtendienste gegeben hat, die zu einer Reform des rechtlichen Rahmens und zu einer Stärkung der Kontrollgremien geführt hat.
Der Ausschuss stellt zugleich fest, dass man in Großbritannien einen anderen Ansatz verfolgt als in Deutschland. Zunächst verfügen die Dienste über sehr weitreichende Kompetenzen zur Überwachung von Kommunikation (Massenerfassung und langfristige Vorratsdatenspeicherung unter Bulk Powers). Grenzen werden
durch komplexe Aufsichtsstrukturen innerhalb und außerhalb der Exekutive gezogen, welche den Zugriff der
Dienste bei der Auswertung des erfassten Materials überwachen. Dabei spielt die Überprüfung von Überwachungsmaßnahmen durch Gerichte eine besonders wichtige Rolle.
Anders als in den USA spielte bei den Reformen bisher die Frage keine Rolle, wie der Schutz der Privatsphäre
und die Vertraulichkeit der Kommunikation von Bürgern in befreundeten Staaten (insbesondere EU und
NATO) in Zukunft besser zu gewährleisten sei. Dies mag aber auch an einem weiteren Unterschied im britischen Recht liegen: Man konzentriert sich allein auf den Schutz von Kommunikation auf britischem Hoheitsgebiet. Dort gelten für Ausländer grundsätzlich die gleichen Standards wie für Briten – bei einem insgesamt
niedrigerem Schutzniveau als es das G 10 in Deutschland garantiert.
Ebenso wenig spielte in der öffentlichen Debatte bislang die Frage, wie man die Praxis der Nachrichtendienste mit Partnern abstimmen könnte, eine große Rolle. Gleichwohl haben sich Fachkreise mit solchen Überlegungen befasst. So kam im Juli 2015 eine auf Bitten der Regierung ins Leben gerufene Kommission unter
Vorsitz von David Omand, einem ehemaligen Direktor des GCHQ, im letzten ihrer zehn Kriterien, denen
Eingriffe in die Privatsphäre mit Blick auf nötige wechselseitige Rechtshilfe gerecht werden müssten, zu dem
Schluss: „Multilaterale Zusammenarbeit: Regierungspolitik zu Eingriffen sollte so beschaffen sein, dass sie
sich mit derjenigen von gleichgesinnten offenen und demokratischen Regierungen harmonisieren lässt.“