Drucksache 18/12850
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– 1072 –

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Keine Berichterstattung an das Bundeskanzleramt bis März 2015

Die Zeugenvernehmungen haben ergeben, dass über diese Aktivitäten des BND nach Oktober 2013 bis
März 2015 das Bundeskanzleramt nicht informiert wurde. Da das zuständige Fachreferat in der Abteilung 6
des Bundeskanzleramts keine Kenntnis von der geänderten Weisungslage hatte, konnte es zu dem Vorgang
auch nicht nachfragen. Auch dem Zeugen W. K. war kein Auftrag zur weiteren Berichterstattung seitens des
Kanzleramtes erinnerlich.6104
Der Zeuge Schindler hat hierzu ausgeführt, dass es nach seiner Erinnerung keine zwischenzeitlichen Berichte
über die Prozesse der Deaktivierung von Selektoren gegeben habe. Aus seiner Sicht habe es eine klare Handlungsanleitung gegeben:
„Also nach meiner Erinnerung gab es keine Berichte dazwischen über die Frage: ‚Wir
haben jetzt ein mittleres Problem, ein großes Problem oder sonst was‘, sondern für
mich war klar: Wir haben klare Handlungsanleitungen, was deaktiviert wird und was
nicht. Und die Frage, was da im Jahre 1998 als Selektor eingestellt worden ist oder
was im Jahre 2001 als Selektor eingestellt worden ist, ehrlich gesagt, hat mich überhaupt nicht interessiert, interessiert mich im Übrigen auch heute nicht; weil das ist
reine Vergangenheitsbewältigung, und es war auch nicht rechtswidrig. So, das ist das
Entscheidende.“6105
Somit sei nach dem Oktober 2013 der Bestand systematisch „nach hinten aufgearbeitet“ worden. Dies sei
immer dann geschehen, „wenn der BND Zeit hatte – nämlich Syrien, Ukraine; Terrorismus hat absoluten
Vorrang“.6106
In dieser Rückwärtsaufarbeitung sei man bis zum aktuellen Stand der Gruppenliste vorangekommen: Im
Übrigen teile er nicht die Auffassung, „dass das jetzt ein großer Skandal war oder so was, was da geschehen
ist, sondern die Bearbeiter, die damals diese Selektoren eingestellt haben, sind guten Gewissens davon ausgegangen, dass das rechtmäßig ist. Es gab Zeiten, als das Auftragsprofil der Bundesrepublik Deutschland
europäische Staaten drin hatte. Und es ist also nicht so, als ob da durchgeknallte BND-Leute einfach mal so
das Ding da machen“.6107
Auch der Zeuge Günter Heiß, für die Fach- und Dienstaufsicht des BND zuständiger Abteilungsleiter des
Bundeskanzleramtes, hat in seiner Vernehmung erklärt, dass ihm über die Umsetzung der Weisung bis zum
März 2015 nichts bekannt geworden sei.6108 Insbesondere habe er keine Kenntnis von den Reaktivierungen
vor dem Jahr 2015 erlangt. Zwar habe es in der Folge durchaus Diskussionen darüber gegeben, dass die
Daten aus Partner- oder NATO-Staaten vielleicht auch in besonderer Weise nach dem APB zu betrachten
seien. Aber bis zum März 2015 habe er keine Kenntnisse über die Herausnahme von Selektoren oder die
Wiedereinsteuerung im Hinblick auf europäische Mitgliedstaaten oder NATO-Partner gehabt.6109

6104)
6105)
6106)
6107)
6108)
6109)

W. K., Protokoll-Nr. 118 I, S. 19.
Schindler, Protokoll-Nr. 126 I, S. 55.
Schindler, Protokoll-Nr. 126 I, S. 55.
Schindler, Protokoll-Nr. 126 I, S. 55.
Heiß, Protokoll-Nr. 128 I, S. 32.
Heiß, Protokoll-Nr. 128 I, S. 83.

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