Drucksache 18/12850

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

„[…] Schon während seines Antrittsbesuchs beim GCHQ Mitte Februar 2012 boten
ihm die Briten eine gemeinsame Ausspähaktion an. Schindler griff zu, auch weil er
hoffte - so steht es in den Akten-, der BND würde damit im Verhältnis zur NSA ‚an
Gewicht gewinnen‘. Der deutsche Dienst ist ein gewaltiger Apparat mit 6500 Beamten, aber oft von den Amerikanern abhängig. Ein US-Zeuge hat den BND vor dem
Ausschuss als ‚Wurmfortsatz der NSA‘ bezeichnet. Das Streben nach ein wenig mehr
Bedeutung liegt da nahe. Allein: Das Projekt Monkeyshoulder war nach deutschen
Rechtsmaßstäben in der Grauzone, möglicherweise sogar illegal. Die leitenden Beamten notierten in den Akten, man sei sich ‚des eingegangenen Risikos‘ bewusst. ‚Bei
öffentlichem Bekanntwerden müssen wir mit einem Aufschrei der Presse rechnen.‘
Das Projekt beruhte auf Geben und Nehmen. Die Deutschen sollten helfen, Daten aus
dem europaweit größten Netzknoten in Frankfurt am Main abzuschöpfen. Es ging um
Metadaten, Skype-Verbindungen, Whatsapp-Nachrichten, um die Absender und Empfänger von E-Mails. Die Rohmasse der Daten sollten die Deutschen an die Engländer
weitergeben. Im Gegenzug versprach der GCHQ, Daten abzuliefern, die der Dienst
auf der Insel gewinnt. Zwar muss der BND bei jeder Datengewinnung Filter vorschalten, die die Privatsphäre deutscher Bürger schützen sollen. Aber dass die Filter löchrig
sind, ist unter Experten bekannt. So sollte ein Ringtausch zwischen den Geheimen
entstehen: wechselseitige Überwachung, wechselseitige Information. Jeder weiß am
Ende, was er eigentlich nicht wissen kann. Und in manchen Fällen auch nicht darf.
Der Deal war für die Deutschen nicht nur wegen des Erkenntnisgewinns interessant,
sondern auch weil die Briten versprachen, den BND für das Abzapfen der Daten in
Frankfurt mit Hard- und Software hochzurüsten. Erste Schulungen von deutschen Spezialisten in London begannen schon 2012.
Schindler wollte offenbar ohne jede Kontrolle seines Dienstherrn agieren. ‚Der Präsident eröffnete mit der Bitte, die geplante Kabelzusammenarbeit nicht im Bundeskanzleramt zu erwähnen‘, heißt es in einem BND-Aktenvermerk. Damit blieben alle Aufseher erst mal draußen: die Kanzlerin, der Kanzleramtsminister, der Leiter der zuständigen Abteilung 6 im Kanzleramt. Der BND unter der Tarnkappe. Geführt ausgerechnet von einem Chef, der früher als Abteilungsleiter im Innenministerium selbst einen
Geheimdienst kontrolliert hatte, nämlich das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Rund 300 Mal berichtet der BND pro Monat an das Kanzleramt. Weitere 800 Mal
beantwortet er Fragen der Bundesregierung. Die Operation Monkeyshoulder jedoch
blieb das Geheimnis der Geheimen. Bis es gar nicht mehr ging. Für Anfang September
2012 kündigte sich eine Delegation des GCHQ in Deutschland an. Nach stern-Informationen wollten die britischen Agenten nicht nur zum BND. Sie wollten auch ins
Kanzleramt. Schindler musste befürchten, dass alles aufflog. Das hätte ihn den Job

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