Drucksache 18/12850

– 1584 –

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Durchaus als Bedeutungszuwachs dürfte der BND gewertet haben, dass der amerikanische Nachrichtendienst
den Erfassungsabgriff gegenüber der US-amerikanischen Konzernmutter des deutschen Tochterunternehmens durchgesetzt und sich dazu eines Schreibens des damaligen BND-Präsidenten August Hanning bedient
hatte. Der damalige BND-Präsident hat die bestimmende Rolle des amerikanischen Nachrichtendienstes so
beschrieben:
„Ich meine, das hat ja im Grunde, wenn ich das alles sehe, die US-Seite alles abgedeckt, also die ganze Willensbildung auf der US-Seite, wer ist da zu beteiligen und
wie läuft das und so; das ist doch ganz offenkundig.“8553
Bedeutsam ist: Entgegen der Darstellung des BND hatte er selbst offenkundig nicht die Leitung der Operation
in der Hand inne. Zustandekommen und die fortlaufende Kommunikation mit dem Betreiberunternehmen
erledigte der amerikanische Dienst. Der BND war für die technische Umsetzung und Betreuung zuständig
bei – ganz wichtig zu betonen – hälftiger Kostenteilung. Die vom Zeugen W. K. als bloß mittelbar8554 bezeichnete Beteiligung des amerikanischen Dienstes ist daher eine mindestens beschönigende Darstellung.
Als Rechtfertigungsgrundlage soll für die Operation die Rechtsauffassung des BND herhalten, dass für die
Erfassung reiner Ausland-Ausland-Verkehre die Aufgabennorm des § 1 BNDG ausreiche. Diese Auffassung
ist nicht haltbar.8555 Im vorliegenden Falle hat der BND selbst bekundet, dass die ausgeleiteten Daten mit
einer „G 10“-Filterung und einer Filterung nach US-Bürger_innen verarbeitet wurden.8556 Dies erscheint
auch im Hinblick auf die vermeintlich erfolgte „Positivselektion“ im Sinne der reinen Trefferauswahl- und ausleitung fragwürdig. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass dem BND nicht bekannt war, welche Ziele
und Interessen vom Partner aufgeklärt werden sollten. Er konnte also nicht sicher sein, dass die Erfassungsziele des Partners sich nicht auf deutsche oder US-Bürger_innen richteten. Die teils erklärte Rechtfertigung,
dass die bloß kurzfristige Erfassung von auch nach Auffassung des BND geschützten Kommunikationsdaten
kein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis bedeute, ist angesichts des hier geschilderten Vorgehens unhaltbar.
Denn für den erforderlichen Filterungsschritt mussten die erfassten Inhaltsdaten – anderes wurde nicht verarbeitet8557 – inhaltlich verarbeitet und ausgewertet, um die Identität der Kommunikationsteilnehmer festzustellen und den Kernbereichsschutz zu gewährleisten. Die Schizophrenie der Rechtsauffassung des BND
wird hier besonders deutlich.
Zudem wurden die erfassten Kommunikationsinhalte auf ihre Relevanz geprüft, also ob sie überhaupt einen
nachrichtendienstlichen Wert hatten und somit auch für die Erfassung des BND nutzbar waren. Dass ein
solcher Aufwand betrieben wurde, obwohl es sich nur um Telefonie und Fax gehandelt hatte, in deren Erfassung der BND erfahren und erprobt war, muss stutzig machen. Die besondere Betonung der Relevanzprüfung
lässt sich nicht nur mit der geschilderten zunächst händischen Prüfung im Probebetrieb erklären, da sie er-

8553)
8554)
8555)
8556)
8557)

Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 65, S. 42.
W. K., Protokoll-Nr. 35 I, S. 6.
Bäcker, SV-2/3, S. 19f.; Hoffmann-Rhiem, SV-2/1, S. 11f.; Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den
BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ–Extra 15/2016, S. 1 ff., abrufbar unter http://rsw.beck.de/rsw/upload/NVwZ/NVwZ-Extra_2016_15.pdf .
W. K., Protokoll-Nr. 35 II – Auszug offen, S. 33; J. F., Protokoll-Nr. 35 I, S. 60.
W. K., Protokoll-Nr. 35 I, S. 12.

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