Drucksache 18/12850
– 1344 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
dass ein befreundetes Land selbst politisch aufgeklärt, mithin „ausspioniert“ werden sollte. Dies war jedoch
der zentrale Vorwurf gegenüber der BND-eigenen Erfassung gewesen. Ziel der Aufklärung waren vielmehr
Krisenregionen in denen oder mit Bezug zu denen die in die Erfassung aufgenommenen Einrichtungen von
Partnerländern tätig waren.
Insofern relativiert sich nicht unerheblich die Feststellung, die BND-eigene Aufklärung habe in einem offensichtlichen Widerspruch zur Auffassung der Bundesregierung und der bekannten Formulierung der Bundeskanzlerin gestanden, „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht“. Informationen über die Politik eines
Partnerlandes wurden von der Bundesregierung beim BND nie angefordert. Die Annahme einer willentlichen
und willkürlich von den Vorgaben des politischen Bedarfsträgers losgelösten Aufklärungstätigkeit des BND
erscheint auch deshalb realitätsfern, weil in einem solchen Fall die nachrichtendienstlich gewonnenen Informationen seitens der BND-Auswertung nicht in der Berichterstattung an den Bedarfsträger hätten verwendet
werden können. Sie wäre durch entsprechend schlecht bewertete Meldungen folglich auch aus Sicht der Abteilung TA eine Verschwendung von Ressourcen und wertlos gewesen.
Alle vom Ausschuss gehörten Entscheidungsträger bestätigten, niemals Berichte über Interna der Politik befreundeter Staaten wie etwa EU-Mitgliedsländer angefordert oder erhalten zu haben. Die Ergebnisse der Aufklärungsarbeit des BND hätten stets nur Fragestellungen entsprechend des Auftragsprofils der Bundesregierung betroffen.
Die Ursachen für die Nutzung jener politisch schwer vermittelbarer oder scheinbar kaum auftragsrelevanter
Selektoren auf der Gruppenliste sind nach Auffassung des Ausschusses bereits im Wesentlichen in den öffentlichen Feststellungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums treffend wiedergegeben. Die öffentliche
Beweisaufnahme des Ausschusses bestätigt dies: Die schriftliche Weisungslage in der Abteilung TA und das
„Controlling“ der abteilungsübergreifenden Auswahl- und Steuerungsprozesse bis hin zur konkreten Prüfung
der Selektoren vor ihrer Aktivierung waren unzureichend – besonders im Hinblick auf einen möglichen politischen Schaden durch die Nutzung von Zielen mit Bezug zu Partnerländern. Der BND betrachtete laut
Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums „die Methode SIGINT als risikoarm in Bezug auf Rechtsverletzungen“ und sah eine eigene Dienstvorschrift deshalb als nicht notwendig an. In der Folge hatten die
Mitarbeiter zu große Entscheidungsfreiräume, die sie ausschließlich mit Blick für die Erzielung des Ertrags
der strategischen Fernmeldeaufklärung nutzten. Dem damals gültigen BND- wie auch dem Art. 10-Gesetz
entsprechend wurde bei der Erfüllung des Auftragsprofils der Bundesregierung zwischen Grundrechtsträgern
und Ausländern unterschieden, eine weitere Differenzierung (EU-Länder, Bündnispartner etc.) erfolgte bei
der Arbeit mit Selektoren im Allgemeinen nicht.
Der Ausschuss stellt fest, dass erst durch die Sichtung der Treffer, also der tatsächlich aufgeklärten Telekommunikationsverkehre, eine vertiefte und kritische Befassung mit den zugrundeliegenden technischen Parametern erfolgte. Bei dieser Qualitätskontrolle „a posteriori“ fielen auch politisch sensible Selektoren auf und
wurden hinterfragt. Selektoren, die keine Treffer erbrachten, wurden jedoch aus Kapazitätsgründen im regulären Arbeitsablauf nicht weiter betrachtet. Mangels automatischer Wiedervorlagemechanismen konnten sie
so „über Jahre im System“ verbleiben, bis ihre Herkunft und ihre ursprüngliche Zielrichtung nicht mehr
zuzuordnen waren. Die technischen Gründe dafür waren unzureichende Dokumentationspflichten in früheren