Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1319 –
Drucksache 18/12850
auf inländische juristische Personen angewendet werden muss (Art. 19 Abs. 3 GG) und mithin dann für alle
gilt, soweit sie für diese deutschen Organisationen tätig sind.
In der Praxis hat der BND bisher diese Zurechnung auch im Ausland, also außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 19 Abs. 3 GG, unter dem Begriff „Funktionsträgertheorie“ entsprechend angewandt. Demnach sollten deutsche Staatsbürger auf Grundlage des BND-Gesetzes immer dann ohne Beachtung der G 10Schranken erfasst werden dürfen, wenn sie als „Funktionsträger“ einer ausländischen Organisation im Ausland kommunizierten. Geschützt blieb hingegen als solche erkannte private Kommunikation von Deutschen
auch dann, wenn sie über Kommunikationskanäle ihres ausländischen Arbeitgebers erfolgt. Verfassungsrechtlich bestanden gegen die Funktionsträgertheorie Bedenken. Nach Ansicht des Ausschusses regelt nunmehr das reformierte BND-Gesetz klar die Rechtslage in § 6 Abs. 4 BNDG: „Eine Erhebung von Daten aus
Telekommunikationsverkehren von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen
oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen ist unzulässig.“
c)
Rechts- und Fachaufsicht im Kanzleramt
Im Normalfall setzte der BND bei Kooperationsvorhaben mit Nachrichtendiensten der FIVE EYES-Staaten
im Untersuchungszeitraum nach den dem Ausschuss vorliegenden Beweismaterialien das Kanzleramt über
bedeutsame Vorgänge in Kenntnis. Dies konnte die Initiierung von Kooperationen sein, Probleme bei der
Durchführung, die Absicherung vor der Umsetzung bestimmter Rechtsauffassungen oder politischer Entwicklungen. So war das Kanzleramt in die Aufnahme von Verhandlungen zur Bad Aiblinger Kooperation
und die Probleme bei der Durchführung des Projekts EIKONAL eingebunden.
Dennoch musste der Ausschuss gravierende Defizite feststellen: Während der BND mit rund 6.500 Mitarbeitern (allein die für die Fernmeldeaufklärung zuständige Abteilung TA ist mit rund 1.500 Mitarbeitern die
größte Abteilung des BND) eine sehr große obere Bundesbehörde ist, war die im Bundeskanzleramt zuständige Abteilung 6 über lange Zeiträume mit rund 25 Mitarbeitern im Vergleich personell klein ausgestattet.
Die Abteilung 6 sah den BND bei besonderen Ereignissen größtenteils in der Bringschuld und fragte nur
nach vorliegenden Ersthinweisen von sich aus weiter nach. Ob dies oder eher eine mangelhafte Fehlerkultur
im BND ursächlich dafür war, dass das Kanzleramt über eine Reihe wesentlicher Vorgänge im BND nicht
informiert wurde, konnte im Detail nicht abschließend beantwortet werden.
Im Ergebnis war der Dienst- und Fachaufsicht der zuständigen obersten Bundesbehörde eine Reihe von Vorgängen aus diesem Bereich nicht bekannt:
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Die Operation GLO***: Sie führte der BND in Kooperation mit einem US-Nachrichtendienst durch,
ohne das Bundeskanzleramt zu informieren. Hier wurden im Zusammenwirken aus US-Dienst, einem
US-Mutterkonzern eines deutschen Netzbetreibers und Technikern des BND unter Legende Kabelzugriffe auf leitungsgebundene Ausland-Ausland-Verkehre bei einem Netzbetreiber in Deutschland
durchgeführt.
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NSA-Selektoren: Das Kanzleramt war unzureichend über die Existenz problematischer Selektoren im
Rahmen der Kooperation mit der NSA in Bad Aibling informiert. Zwar gab es vereinzelt Hinweise in