Drucksache 18/12850

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Grundrecht aus Art. 10 GG darstellt. Die Verfassungsexperten sind sich bislang nicht einig, wie die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, auf die sich der BND im Wesentlichen gestützt hat, im digitalen Zeitalter
zu interpretieren ist. Die einen wollen das Fernmeldegeheimnis universal für alle Menschen weltweit gewährleistet sehen. Diese Position vertraten auch einige der vom Ausschuss geladenen Sachverständigen –
wobei der als Vertreter dieser Position oft zitierte ehemalige Verfassungsgerichtspräsident Dr. Hans-Jürgen
Papier Amtsträger eines fremden Staates und damit den Kernbereich der klassischen Spionage nicht vom
Schutz des Art. 10 GG umfasst sehen wollte. Andere Stimmen sehen den Schutz des Grundrechts auf die
Menschen beschränkt, die sich unter deutscher Hoheitsgewalt in Deutschland aufhalten oder deutsche Staatsbürger sind. Diese Position vertrat auch die unabhängige sachverständige Vertrauensperson Dr. Graulich.
Dritte wollen gewisse objektivrechtliche oder eingeschränkte Wirkungen für Handeln mit reinem Auslandsbezug erkennen.
So lange diese Frage nicht eindeutig verfassungsgerichtlich entschieden ist, kann dem BND nach Auffassung
des Ausschusses nicht vorgeworfen werden, sich für eine der möglichen und zulässigen Auslegungsvarianten
entschieden zu haben, die aus seiner Sicht den praktischen Erfordernissen der Auftragserfüllung am ehesten
entsprach. Auch die Nachrichtendienste der übrigen westlichen demokratischen Staaten nehmen – soweit
dies öffentlich bekannt ist – eine entsprechende Differenzierung zwischen in- und ausländischem Telekommunikationsverkehr vor. Das Verhältnis eines Nachrichtendienstes zu den Staatsbürgern und Bewohnern des
eigenen Landes ist naturgemäß intensiver und rechtlich durchdrungener.
Die Opposition, die sich wegen ihres politischen Standpunkts für eine andere Interpretation des verfassungsrechtlich Gebotenen entschieden hat, greift aus nachvollziehbaren Motiven zum schweren Vorwurf des Verfassungsbruchs. Aber diese Argumentation ist nach Auffassung des Ausschusses so unfair wie falsch.
Eine Unterscheidung zwischen in- und ausländischer Kommunikation war für den BND bei leitungsvermittelter Kommunikation anhand der Vorwahl (0049) noch einfach und zu 100% sicher technisch zu gewährleisten. Angesichts der dezentralen Struktur des Internet und der globalen Übertragungswege paketvermittelter
Datenübertragung ist dagegen dort eine solche Differenzierung technisch alles andere als trivial. Bei Beachtung von aus Verkehrsdaten erkennbaren objektiven Parametern (Kennungen, Ländereinstellungen) und entsprechendem Aufwand durch Filterung über mehrere Stufen (inkl. G 10-Positivliste) erscheint sie jedoch
hinreichend zuverlässig möglich.
b)

Personell

Umstritten war im Ausschuss die vom BND angewandte sogenannte Funktionsträgertheorie. Dabei handelt
es sich ursprünglich um eine Zurechnungsregel für inländische juristische Personen, die notwendig ist, weil
juristische Personen nicht selbst, sondern durch natürliche Personen, also ihre Mitarbeiter, kommunizieren.
In den Dokumenten des BND wird sie zumeist völlig zutreffend in Anwendung auf deutsche juristische Personen im Ausland referiert: Ausländer, die im Ausland für deutsche juristische Personen tätig sind, sind als
„Funktionsträger“ dieser Organisationen durch Art. 10 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG geschützt. Eine Datenerhebung wäre in diesen Fällen nur auf Grundlage des G 10 möglich; im Übrigen wären derartige Verkehre zu
löschen. Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs wird damit begründet, dass das Fernmeldegeheimnis

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