Drucksache 18/12850

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

nikation für den BND sowie der Abgleich mit den Suchbegriffen grundsätzliche Grundrechtseingriffe darstellen können. Allerdings nehmen die Eingriffstiefe bzw. Eingriffsqualität erst bei der nachfolgenden Auswertung wie auch Weitergabe der Erkenntnisse erkennbar zu. An einem Eingriff fehlt es, „soweit Fernmeldevorgänge zwischen deutschen Anschlüssen ungezielt und allein technikbedingt zunächst miterfasst, aber
unmittelbar nach der Signalaufbereitung technisch wieder spurenlos ausgesondert werden.“ (BVerfGE 100,
313 [366]).
Beim Abgleich mit Selektoren handelt es sich aber um einen automatisierten Prozess ohne die technische
Möglichkeit menschlicher Einsichtnahme („Black Box“). Er findet in nahezu Echtzeit statt, die technisch
bedingte Zwischenspeicherung beschränkt sich auf Millisekunden, nicht relevante Verkehre werden danach
rückstandslos gelöscht. Die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen der bisherigen Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts gelten fort, die Dauer des Selektoren-Abgleichs hat sich entsprechend des
technischen Fortschritts seither nicht verlängert. Den automatischen Abgleich von Telekommunikationsverkehren mit Suchbegriffen per se bereits als unverhältnismäßigen Eingriff oder „anlasslose Massenüberwachung“ zu bezeichnen, widerspricht also der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Sonst würde
die für die Sicherheit der Menschen in Deutschland unverzichtbare strategische Fernmeldeaufklärung de
facto unmöglich.
2.

Strategische Fernmeldeaufklärung nach G 10 und nach BND-Gesetz

Die strategische Fernmeldeaufklärung des BND fußte im Untersuchungszeitraum auf zwei unterschiedlichen
Rechtsgrundlagen: einerseits auf § 5 des Gesetzes zu Art. 10 Grundgesetz (G 10), andererseits auf § 1 Abs. 2
des BND-Gesetzes. Ausgehend von der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vertrat der BND hierbei die – nach Ansicht des Ausschusses durchaus mit guten Gründen vertretbare – Rechtsauffassung, die Erfassung von Telekommunikationsverkehren, deren Anfangs- und Endpunkt jeweils im
Ausland liegt und die ohne Beteiligung deutscher Staatsbürger oder von Ausländern mit gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet stattfindet, sei nicht von Art. 10 Grundgesetz geschützt. Sie unterfalle somit auch
nicht den Voraussetzungen von § 5 G 10. Die strategische Fernmeldeaufklärung solcher Ausland-AuslandVerkehre sei durch die Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 2 BNDG zulässig und geregelt.
In jahrzehntelang gerichtlich unbeanstandet gebliebener Praxis unterschied der BND so bei der Erfassung
zwischen dem Anfangs- und Endpunkt des Telekommunikationsverkehrs, um zwischen „Grundrechtsträgern“ und „Nichtgrundrechtsträgern“ und damit zwischen unterschiedlichen Rechtsregimen (G 10 oder
BNDG) zu unterscheiden. So bejahte der BND den Grundrechtsschutz durch Art. 10 GG und damit die Anwendung des G 10 bei deutschen Staatsbürgern, Mitarbeitern von deutschen Unternehmen und Einrichtungen
auch im Ausland, weil eine etwaige „Erfassung und Auswertung im Inland hinreichend mit inländischem
staatlichen Handeln verknüpft ist“ (BVerfGE 100, 313, Leitsatz 2). Gleiches galt für Ausländer, die sich im
Bundesgebiet aufhielten.

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