Drucksache 18/12850
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
des fragmentarischen Charakters der Dokumente nicht seriös bewertet werden. Gleiches gilt für den Umfang
der erhobenen Daten, die Grundlage der Auswertung durch diese Software sind. Dieses Problem stellte sich
dem Ausschuss in gleicher Weise. Der Ausschuss hat nach Auswertung der angeforderten Akten die Überzeugung gewonnen, dass die Klarstellung der Bundesregierung zutreffend ist, die Verwendung eines ebenfalls PRISM benannten Programms im Rahmen des Afghanistan-Einsatzes betreffe einen völlig anderen
Sachverhalt. Die Namensgleichheit dürfte zufällig sein.
4.
Deutschland als Aufklärungsziel?
Weder bei den individualisierten Angriffen noch den manipulierten Sicherheitskomponenten wird Deutschland als Aufklärungsziel genannt. Auch die Erwähnung dreier deutscher Unternehmen auf veröffentlichten
Dokumenten zum NSA-Programm TREASURE MAP ist kein Beleg für erfolgte oder geplante Operationen
der NSA, sondern deutet eher auf eine allgemeine, weltweite Netzwerkanalyse hin. Bei der strategischen
Fernmeldeaufklärung konnte der Ausschuss entscheidende Vorwürfe aus den Veröffentlichungen in den Medien als Fehlinterpretationen identifizieren und ausräumen – insbesondere zur angeblichen „Massenüberwachung“ Deutschlands.
Als Beleg dafür wurde zunächst eine Übersicht des NSA-Programms BOUNDLESS INFORMANT ausgegeben, mit dem das weltweite SIGINT-Aufkommen der NSA quantifiziert und visualisiert worden war. Danach sollte die NSA zum Jahreswechsel 2012/2013 monatlich rund 500 Mio. Metadaten (keine Inhaltsdaten,
sondern Daten insbesondere zur Abwicklung der Übermittlung) aus Deutschland erhalten haben, angeblich
mit Spitzenwerten von bis zu 60 Mio. Daten oder Datensätzen täglich. In den Presseberichten wurde unterstellt, es handle sich dabei um Daten deutscher Bürger. Wie sich nach Auswertung der Akten und Zeugenbefragungen ergeben hat, handelt es sich bei diesen Datenübermittlungen aber um Metadaten aus Afghanistan, die der BND im Rahmen seiner Kooperation mit der NSA zum Schutz deutscher Soldaten und zur
Terroraufklärung erhob. Die im Spiegel veröffentlichten Codes „US-987LA“ und „US-987LB“ standen dabei für Datensammelstellen (SIGADs – SIGINT Activity Designators) in Bad Aibling und in Afghanistan,
deren Aufklärungsauftrag aber in beiden Fällen auf Informationen aus Afghanistan zielt. In den statistischen
Übersichten des BOUNDLESS INFORMANT müssen Informationen „aus“ einem Land noch keine Informationen „über“ ein Land sein. Solche Zahlen erlauben zudem keinerlei Rückschlüsse, dass Politik oder
Wirtschaft des genannten Landes durch die NSA selbst ausgespäht werden sollten.
Der Irrtum bezüglich der 500 Mio. Datensätze „aus Deutschland“ wurde in den Medien zwischenzeitlich
auch eingeräumt. Fachkundige Zeugen des BND konnten die scheinbar hohen Zahlen an Metadaten zudem
einordnen und erklären: Da der Aufruf einer Internetseite bereits bis zu 100 Metadaten erzeugen könne und
ein einziger Kommunikationsvorgang 20 bis 30 Metadaten produziere, sei insgesamt nur ein äußerst kleiner
Bruchteil der gesamten Kommunikation eines Ziellandes betroffen.
Als weiteres Beispiel für Fehldeutungen der Snowden-Dokumente führte der ehemalige Kanzleramtsminister
Ronald Pofalla bei seiner Befragung durch den Ausschuss am 26. Januar 2017 einen veröffentlichten Vermerk der NSA an, der das Kürzel „SI“ für „Signal Intelligence“ enthielt. Er wurde daher in der Presse als
Beleg für technisches Aufkommen missverstanden – im konkreten Fall dafür, dass die NSA den BND aktiv