Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1281 –
Drucksache 18/12850
Beschluss der BGH-Ermittlungsrichterin aus mehreren Gründen höchst problematisch: So war die Entscheidung bereits mit den tragenden Gründen der vorhergehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
unvereinbar, nach denen nur das „Ob“ einer Zeugenvernehmung, nicht jedoch das „Wie“ von Minderheitenrechten umfasst ist. Daran änderte auch die von der BGH-Ermittlungsrichterin als wesentlich angesehene
Tatsache nichts, dass Edward Snowden nur zu einer Aussage bereit war, wenn er dazu nach Deutschland
kommen könne.
Zudem begegnete der Beschluss verfassungsrechtlichen Bedenken, da der Tenor des Beschlusses die „Abgeordneten der Ausschussmehrheit“ zu einer „Zustimmung“ verpflichtete. Ein solches erzwungenes Abstimmungsverhalten frei gewählter Abgeordneter des Deutschen Bundestages ist hingegen mit der Garantie des
freien Mandats (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) und dem Grundsatz der Gewaltenteilung unvereinbar. Zwar hätte
die Mehrheit den von der Opposition begehrten Ausschussbeschluss auch durch Enthaltung bei der Stimmabgabe ermöglichen können – sie wäre hierdurch aber gezwungen gewesen, gegen den Wortlaut der Entscheidung der BGH-Ermittlungsrichterin zu verstoßen.
Art. 44 GG und das PUAG geben dem Untersuchungsausschuss keine eigene Rechtsmacht, Edward Snowden
Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet oder „freies Geleit“ zu ermöglichen. Die Zuständigkeit dafür liegt
bei Exekutive und Judikative. Die Ausschussmehrheit ist der Ansicht, dass ein Untersuchungsausschuss hierauf auch keinen Anspruch hat. Die rechtlich verbindlichen Ansprüche gegen die Bundesregierung wie z. B.
Aktenvorlage und Aussagegenehmigungen für Zeugen sind im PUAG abschließend aufgezählt und hier nicht
einschlägig. Eine anderweitige Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich. Die BGH-Ermittlungsrichterin hat
mit ihrer Entscheidung offen gelassen, ob ein solcher Anspruch besteht. Somit konnte der Ausschuss aus
eigener Rechtsmacht nur die Terminierung und Ladung eines Zeugen beschließen. Dies hat er getan, indem
er eine Vernehmung oder Anhörung Edward Snowdens in Moskau oder per Video beschlossen hat, was der
Zeuge jedoch abgelehnt hat. Wenn die BGH-Ermittlungsrichterin nun in ihrer Entscheidung vom Ausschuss
verlangte, an die Bundesregierung die Bitte zu richten, Edward Snowden „freies Geleit“ zu gewähren, obwohl
der Ausschuss darauf keinen Anspruch hat, dann kann die Minderheit keinen solchen Anspruch haben. Das
würde der klaren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts widersprechen.
Weil die Bedeutung der Entscheidung der BGH-Ermittlungsrichterin schwerwiegende neue Rechtsfragen
aufwarf, legte die Ausschussmehrheit Beschwerde zum 3. Strafsenat des BGH ein. Damit verbunden war
auch ein Antrag auf Aussetzung der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit der Entscheidung
der BGH-Ermittlungsrichterin. Bis über diesen Antrag entschieden war, vertagte die Ausschussmehrheit eine
weitere Befassung.
Der 3. Strafsenat am BGH hat am 15. Dezember 2016 dem Antrag auf aufschiebende Wirkung stattgegeben.
Bis zur Entscheidung des Senats über die Beschwerde der Ausschussmehrheit bestand keine Verpflichtung,
entsprechende Beschlüsse zu fassen. Mit seinem am 15. März 2017 veröffentlichten Beschluss vom 23. Februar 2017 hat der 3. Strafsenat des BGH die Entscheidung der Ermittlungsrichterin aufgehoben und den
Antrag der Ausschussminderheit als unzulässig zurückgewiesen. Die Entscheidung der Ausschussmehrheit,
den Zeugen Snowden nicht in Berlin zu vernehmen, so merkte der BGH abschließend an, sei nicht objektiv
willkürlich erfolgt und daher rechtlich nicht zu beanstanden.