Drucksache 18/9142
11.

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Anlagen

11.1 Öffentliche Erklärung des Parlamentarischen Kontrollgremiums nach § 10 Absatz 2
vom 16. Dezember 2015

Berlin, den 16. Dezember 2015
Öffentliche Erklärung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zum vorläufigen Ergebnis aus der Untersuchung
der „BND-eigenen Fernmeldeaufklärung“.
Das Parlamentarische Kontrollgremium hat seit Mitte Oktober die BND-eigene Fernmeldeaufklärung untersucht
und hierzu eine eigene Task Force eingesetzt und Berichterstatter benannt. Ein vorläufiger Bericht wurde heute
vorgelegt. Im Zentrum der Untersuchung stehen rund 3.300 Ziele, die der BND aus seiner Fernmeldeaufklärung
herausgenommen und gesperrt hat, weil sie Bezüge zu EU- oder NATO-Staaten aufweisen, also Ziele in
EU/NATO-Staaten bzw. Einrichtungen von EU/NATO-Staaten betrafen.
Das Parlamentarische Kontrollgremium kommt zu folgendem Ergebnis:
1. Der BND hat im Sommer 2013 begonnen, kritische Ziele aus der Steuerung seiner eigenen Fernmeldeaufklärung herauszunehmen und zu sperren.
2. Die Steuerung eines Drittels der Ziele, insbesondere Ziele mit einem Bezug zu Krisenländern oder Gefahrenbereichen in EU/NATO-Staaten erfolgte mit großer Wahrscheinlichkeit rechts- und auftragskonform,
weil deren Aufklärung zu den spezifischen Aufgaben des BND gehört.
3. Eine weitere Gruppe von sensiblen Zielen im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich
kann nicht pauschal beurteilt werden. Hier ist es vorstellbar, dass eine rechts- und auftragskonforme Begründung vorliegt.
4. Daneben hat der BND aber auch eine Vielzahl von Zielen aufgeklärt, die nicht auftragskonform und rechtlich
unzulässig sind. Dazu gehören unter anderem ausländische Regierungseinrichtungen, EU-Institutionen oder
Nicht-Regierungs-Organisationen. Eine sorgfältige Abwägung des nachrichtendienstlichen Mehrwerts gegenüber der politischen Sensibilität der Ziele war hier nicht erkennbar.
5. Die Steuerung politisch bzw. rechtlich sensibler Teilnehmer erfolgte teilweise über Jahre, ohne dass sich
daraus nachrichtendienstlich relevante Meldungen ergeben haben.
6. Der BND hat im Rahmen der strategischen Auslandsaufklärung in einzelnen Fällen auch deutsche Staatsbürger erfasst. Der BND begründet dies mit der sogenannten „Funktionsträgertheorie“, welche den Schutz
aus Artikel 10 Grundgesetz für deutsche Staatsangehörige versagt, wenn sie eine Funktion in ausländischen
Institutionen, Firmen, Organisationen wahrnehmen. Das Gremium weist darauf hin, dass es allerdings zur
„Funktionsträgertheorie“ keine Rechtsprechung und keine juristisch fundierte Literatur gibt.
7. Der BND-Präsident hat Ende Oktober 2013 den damaligen Chef des Bundeskanzleramts darüber informiert,
dass der BND bei seiner eigenen Fernmeldeaufklärung auch Ziele mit Bezug zu EU- und NATO-Staaten
erfasst hat. Danach hat der damalige Chef des Bundeskanzleramtes auf Vorschlag des BND-Präsidenten
entschieden, diese Praxis unverzüglich einzustellen. Wenige Tage zuvor hatte die Bundeskanzlerin sich medienöffentlich gegen eine nachrichtendienstliche Aufklärung von Partnern ausgesprochen.
8. Das Parlamentarische Kontrollgremium wurde erst im Jahr 2015, also viel zu spät und zunächst nur rudimentär von der Bundesregierung über den Vorgang informiert, obwohl es sich zweifelsohne um einen „Vorgang von besonderer Bedeutung“ nach § 4 Absatz 1 PKGr-Gesetz handelt. Auch bei den Erörterungen im
Zusammenhang mit den „Snowden-Veröffentlichungen“ in den Jahren 2013 und 2014 haben weder die Bundesregierung noch der BND in den Sitzungen des Gremiums über möglicherweise problematische BNDeigene Steuerungen berichtet.
9. Die rechtlichen Regelungen für die Aufgabe der strategischen Fernmeldeaufklärung des BND im Ausland
(§§ 1, 2 BNDG) eröffnen eine weite und kaum voraussetzungsgebundene Handlungsgrundlage zum Einsatz
dieses nachrichtendienstlichen Mittels. Hier besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

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