Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
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Drucksache 18/9142
Hintergrund für die Steuerung war die Erwartung von nd-relevanten Informationen aus diversen Krisenländern,
was nachvollziehbar scheint, so dass die Steuerung als geeignet gelten kann. Die Begründung durch den BND
wirft allerdings mehr Fragen auf als sie klärt.
Weit über die Hälfte der Meldungen betraf die tägliche Zusammenstellung von Informationen aus Medien zu
Aspekten verschiedener EU-Institutionen in der Region. Medienberichte sind generell und offen zugänglich und
dürften sich deshalb auch ohne den Einsatz von nd-Mitteln leicht und zeitnah beschaffen lassen. Dafür, dass dies
gerade im vorliegenden Vorgang nicht möglich gewesen sein soll, hat der BND nichts vorgetragen. Auch hinsichtlich der anderen Meldungen wird nicht überzeugend dargelegt, dass sie nur durch die Steuerung zeitgerecht
zu bekommen waren. So ergeben sich bereits hinsichtlich der Erforderlichkeit der Maßnahme große Zweifel.
Vor allem aber ist die Angemessenheit unzureichend dargelegt. Als ein Organ der Europäischen Union ist diese
Institution ein besonders sensibles Zielobjekt (wenn überhaupt). Deutschland ist durch Entsendung von Beschäftigten an dieser Institution selbst maßgeblich beteiligt. Es gibt auch keinerlei Hinweise, dass im BND zu irgendeinem Zeitpunkt der erhoffte Informationsgewinn gegen das politische Risiko der Maßnahme abgewogen wurde.
Das schwerste Problem liegt aber darin, dass der BND hier zumindest einen deutschen Staatbürger mit Wissen
und Wollen gesteuert hat.
Selbst mit der vom BND vertretenen und insgesamt kontrovers diskutierten Funktionsträgertheorie ließ sich dies
zu keinem Zeitpunkt rechtfertigen, denn diese Institution ist als solche kein geeignetes Zielobjekt, um zu den im
APB erwähnten Kernländern entsprechende Steuerungen zu veranlassen. Wenn überhaupt, vermag die Funktionsträgertheorie nur da zu greifen, wo ein deutscher Staatsbürger für eine fremde Macht arbeitet oder ein anderes
zulässiges Zielobjekt nachrichtendienstlicher Aufklärung, wie beispielsweise ein mit Proliferation befasstes Unternehmen. So gibt es einen gravierenden Unterschied beispielsweise zwischen der Tätigkeit eines deutschen
Staatsbürgers in einer proliferationsrelevanten Institution und der für eine EU-Institution.
Auch die Tatsache, dass von dem deutschen Mitarbeiter der EU-Institution im Zeitraum der Steuerung lediglich
eine geringe zweistellige Zahl an Meldungen gefertigt wurde, zeigt die wenig grundrechtsschützende Auslegung
des BNDG.
6.3 Diplomatische Vertretungen
Diplomatische Vertretungen machen insgesamt die bei weitem größte Kategorie auf der „Gruppenliste“ aus. Aus
dieser Kategorie wird ein Fall dargestellt.
Fall: Diplomatische Vertretung
Insgesamt war die Steuerung der TKM der zweiten untersuchten Steuerung einer diplomatischen Vertretung gemessen an den Maßgaben des APB unverhältnismäßig.
Der Hintergrund für die Aufnahme der TKM der diplomatischen Vertretung ist nicht mehr rekonstruierbar. Die
Steuerung dürfte aufgenommen worden sein, weil man sich Informationen zu einem Monitoringthema erhoffte.
Die mit der Steuerung verbundene Erwartung, dass gerade die Steuerung dieser Vertretung besonders geeignet
ist, nd-relevante Informationen zu diesem Monitoringthema zu generieren, ist allerdings nicht (mehr) nachvollziehbar. Daraus ergibt sich auch, dass die Steuerung möglicherweise nicht geeignet war, um entsprechende Informationen zu generieren. Ein nd-relevantes Meldungsaufkommen ist aus der jahrelangen Steuerung der in der
Stichprobe untersuchten TKM dieser diplomatischen Vertretung nicht erkennbar.
Die Steuerung der TKM dieser diplomatischen Vertretung ist ferner als nicht angemessen zu betrachten. Das Land
ist im APB nicht der Rubrik der Kernländer oder Monitoringländer zuzuordnen. In der Begründung für die Steuerung stellt der BND vielmehr zu einem Monitoringthema des APB Bezüge her. Mit einer solchen Argumentation,
die zulässt, dass selbst sensible Ziele von Partnerländern aufgeklärt werden können, um auf diesem (Um)Weg
Informationen zu relevanten Themen und Ländern zu erhalten, wäre jedoch nahezu eine unbegrenzte Aufklärung
potentiell vielversprechender politischer Einrichtungen weltweit möglich. Auch ist zu berücksichtigen, dass mit
großer Wahrscheinlichkeit auch zahlreiche andere (sensible) Informationen erfasst werden, die bei der Kommunikation anfallen.
Es ist nicht erkennbar, dass eine Abwägung zwischen dem möglichen nachrichtendienstlichen Mehrwert der Informationen und den politischen Risiken stattgefunden hat. Der Aufklärungsauftrag des BND rechtfertigt in dieser
Hinsicht keinen derart tiefgreifenden Eingriff gegenüber einem Partner.