b) Eine Ermächtigung zu Grundrechtseingriffen kann der Gesetzgeber grundsätzlich nur deutschen Staatsorganen erteilen, die in ihrer gesamten Tätigkeit an die
Grundrechte des Grundgesetzes (Art. 1 Abs. 3 GG) und die verfassungsmäßige Ordnung (Art. 20 Abs. 3 GG) gebunden sind.
13
aa) Daneben sieht das Grundgesetz eine Übertragung von Hoheitsrechten an supra- und internationale Organisationen vor, bei deren Ausübung es auch zu Grundrechtseingriffen und Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Interessen kommen kann. Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG ermöglicht dem Gesetzgeber eine Übertragung
von Hoheitsrechten auf die Europäische Union, Art. 24 Abs. 1 GG auf zwischenstaatliche und Art. 24 Abs. 1a GG auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen. Nach
Art. 24 Abs. 2 GG kann sich Deutschland darüber hinaus an Systemen gegenseitiger
kollektiver Sicherheit beteiligen, womit zumindest eine Beschränkung, unter Umständen aber auch eine Übertragung von deutschen Hoheitsrechten verbunden sein kann
(zu den Abgrenzungsschwierigkeiten vgl. Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG,
Bd. II, 6. Aufl. 2010, Art. 24 Abs. 2 Rn. 92; Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, 3.
Aufl. 2015, Art. 24 Rn. 71). In diesem Zusammenhang sind auch Beeinträchtigungen
grundrechtlich geschützter Interessen der Grundrechtsberechtigten in Deutschland
denkbar.
14
bb) Eine Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten kennt das
Grundgesetz dagegen nicht. Das ist kein Zufall, weil die Verfassung die Öffnung der
deutschen Souveränität nur unter der Prämisse einer gleichberechtigten, von deutschen Staatsorganen dauerhaft verantworteten und gegenüber den Bürgern verantwortbaren Mitwirkung Deutschlands an inter- oder supranationalen Organisationen
vorsieht. Deshalb spricht schon die Präambel davon, dass das deutsche Volk als
„gleichberechtigtes Glied“ in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen
wolle, und deshalb binden die einzelnen Öffnungsklauseln die Übertragung von Hoheitsrechten durchgängig an eine gleichberechtigte Mitwirkung deutscher Stellen bei
der Ausübung öffentlicher Gewalt an eine fortlaufende demokratische Kontrolle sowie
an effektive Rechtsschutzmöglichkeiten (vgl. BVerfGE 58, 1 <40 f.>; 59, 63 <86>; 73,
339 <375 f.>; 89, 155 <172, 184 ff., 207 ff.>; 90, 286 <351 ff.>; 121, 135 <156 ff.>;
123, 267 <330 ff., 340 ff., 351 ff., 389 ff., 413 ff.>; 129, 124 <167 ff., 177 ff.>; 132,
195 <238 ff. Rn. 105 ff.>; 134, 366 <385 Rn. 28, 394 f. Rn. 47>; 135, 317 <399 ff.
Rn. 161 ff.>).
15
Derartige Einflussmöglichkeiten bestehen nicht, wenn ein fremder Staat öffentliche
Gewalt in Deutschland ausübt. Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 23. Juni
1981 mit Blick auf die Gebührenanforderungen von Eurocontrol auch die Übertragung der Rechtsprechungsaufgabe auf belgische Gerichte auf Art. 24 Abs. 1 GG gestützt hat (vgl. BVerfGE 58, 1 <42>), vermag dies nicht zu überzeugen. Eine solche
Auslegung ist weder mit dem Wortlaut noch mit der Zielsetzung von Art. 24 Abs. 1
GG vereinbar. Auch Rechtsprechung ist - wie ein Blick auf Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG
zeigt - Ausübung hoheitlicher Gewalt. Liegt diese in den Händen ausländischer Staaten, so bleiben deutsche Stellen - von der erstmaligen Ermächtigung durch den Ge-
16
25/30