Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
11.1.5

– 125 –

Verfahren zur Erhebung von Zusatzbeiträgen und Datenerhebung zum
Sozialausgleich – das GKV-Finanzierungsgesetz

Das GKV-Finanzierungsgesetz ermöglicht den gesetzlichen
Krankenkassen die Erhebung einkommensunabhängiger
Zusatzbeiträge in unbegrenzter Höhe. Beim Sozialausgleich,
der den Beitragszahler vor finanzieller Überforderung
schützen soll, ist auch der Datenschutz gefragt.
Mit dem Ende 2010 beschlossenen GKV-Finanzierungsgesetz (BGBl. I S. 2309) erhalten die gesetzlichen Krankenkassen die Möglichkeit, individuelle Zusatzbeiträge zu
erheben. Die Zusatzbeiträge müssen von den Mitgliedern
unabhängig von ihrem Einkommen gezahlt werden. Als
Kompensation für den Wegfall der bisherigen Überforderungsklausel wurde ein Sozialausgleich eingeführt, der
den Beitragszahler vor einer unverhältnismäßigen finanziellen Belastung schützen soll. Dieser Sozialausgleich wird
für Arbeitnehmer und Rentner über die Arbeitgeber bzw.
Rentenversicherungsträger im Rahmen der elektronischen
Abrechnung von Löhnen, Gehältern und Renten durchgeführt, indem der Zusatzbeitrag um die jeweils berechnete
Überlastung durch den durchschnittlichen Zusatzbeitrag reduziert wird. Außerdem dürfen die Krankenkassen nun einen Säumniszuschlag bei denjenigen Versicherten erheben, die mit der Zahlung des Zusatzbeitrags für
mindestens sechs Kalendermonate säumig sind.
Ein früherer Entwurf des Gesetzes sah dazu vor, dass die
zuständige Krankenkasse im Falle der Säumnis des Beitragszahlers die den Beitrag abführende Stelle zu informieren hat, dass kein Sozialausgleich mehr durchgeführt
werden soll. Sobald die ausstehenden Beiträge und Säumniszuschläge vollständig gezahlt werden, sollte die Kasse
die abführende Stelle auch darüber informieren. Dagegen
habe ich datenschutzrechtliche Bedenken gegenüber dem
Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geäußert. Die
Kenntnis eines Zahlungsrückstandes eines Arbeitnehmers
hätte dem Arbeitgeber weitgehende Einblicke in die Zahlungsmoral seines Beschäftigten gegeben. Er hätte daraus
Rückschlüsse – ob richtig oder falsch – auf die finanzielle
Situation des säumigen Beitragszahlers ziehen können.
Meinen Bedenken hat das BMG insoweit Rechnung getragen, als dass die Krankenkassen den beitragsabführenden Stellen nunmehr ohne Angabe von Gründen Beginn
und Ende des Zeitraums mitteilen, in dem der Sozialausgleich durchzuführen ist. Damit erhält der Arbeitgeber
keine Informationen über die Gründe, warum er den Sozialausgleich nicht mehr bzw. wieder durchzuführen hat.
Mit der den Krankenkassen neu auferlegten Aufgabe der
Durchführung des Sozialausgleichs wurde aus datenschutzrechtlicher Sicht außerdem eine Ergänzung des
Aufgabenkatalogs des § 284 Absatz 1 SGB V erforderlich.
Dieser legt abschließend fest, zu welchen Zwecken Krankenkassen Sozialdaten erheben, verarbeiten und nutzen
dürfen. Meine Forderung, eine ausdrückliche Befugnisnorm für die mit der Durchführung des Sozialausgleichs
einhergehende Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung zu schaffen, hat der Gesetzgeber damit umgesetzt.

Drucksache 17/5200

Kritisch sehe ich es weiterhin, dass der Arbeitgeber im
Rahmen des von ihm durchzuführenden Sozialausgleichs
Kenntnis darüber erlangt, ob ein Beschäftigter über weitere beitragspflichtige Einnahmen verfügt, obwohl der
Betroffene unter Umständen ein Interesse an der Geheimhaltung dieser Information hat. Leider konnte ich aber mit
meiner Anregung nicht durchdringen, den Sozialausgleich innerhalb des Steuersystems ohne Zwischenschaltung des Arbeitgebers durchzuführen.
So ist die Neuregelung ein Beispiel dafür, dass an sich zu
Gunsten von Betroffenen gedachte Maßnahmen bisweilen negative datenschutzrechtliche Nebenwirkungen haben.
11.1.6

Das Sparschwein in der Mitgliederzeitschrift und die Erhebung der
Steuer-ID durch die gesetzliche
Krankenkasse

Gesetzliche Krankenkassen müssen ihre Versicherten im
Voraus schriftlich informieren, wenn sie deren Steuer-ID
beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) abfragen, um
Daten an die Finanzbehörden zu übermitteln. Den betroffenen Versicherten wird hierdurch die Möglichkeit zum
Widerspruch gegeben. Ein bloßer Hinweis in der Mitgliederzeitschrift genügt nicht.
Durch das seit dem 1. Januar 2010 geltende „Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung“ vom 16. Juli 2009
(BGBl. I S. 1959) können Beiträge zur privaten und gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (Vorsorgeaufwendungen) steuerlich stärker als bisher berücksichtigt
werden. Die steuerliche Berücksichtigung setzt allerdings
voraus, dass die Finanzämter Informationen über die Höhe
der berücksichtigungsfähigen Kranken- bzw. Pflegeversicherungsbeiträge erhalten. Im Regelfall meldet der Arbeitgeber die Daten zusammen mit der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung an die Finanzämter. Über bestimmte
Beiträge wie beispielsweise die von Selbstständigen geleisteten Krankenkassenbeiträge oder die Zusatzbeiträge
haben die Finanzämter hingegen keine Informationen.
Um auch diese „Selbstzahler“ in den Genuss der Steuervergünstigung kommen zu lassen, platzierte eine gesetzliche Krankenkasse in ihrer Mitgliederzeitschrift einen mit
einem Sparschwein dekorierten Hinweis, dass sie die steuerlich absetzbaren Beiträge ihrer Versicherten direkt an
das Finanzamt melde. Die hierfür erforderliche Steuer-ID
(vgl. Nr. 9.2) ihrer Mitglieder werde sie bei der BZSt erfragen, falls die Versicherten nicht widersprächen.
Die Idee war gut gemeint, ist datenschutzrechtlich aber
gleich aus mehreren Gründen problematisch:
Es ist zweifelhaft, ob die gesetzlichen Vorschriften des
Einkommensteuergesetzes überhaupt eine tragfähige
Rechtsgrundlage für die Erhebung der Steuer-ID durch
die Krankenkassen sein können. Zwar erlaubt das Einkommensteuergesetz grundsätzlich eine Abfrage der
Steuer-ID beim BZSt ohne Einwilligung des Betroffenen,
allerdings gilt im vorliegenden Zusammenhang die Besonderheit, dass die Steuer-ID hier als Sozialdatum zu behandeln ist, weil sie von der gesetzlichen Krankenversi-

BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010

Select target paragraph3