Drucksache 17/5200
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Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat mich in einem sehr frühen Stadium der Umsetzung der europäischen Forderungen beteiligt. So war jeder Mitgliedstaat verpflichtet, bis zum
9. Juli 2010 eine internetbasierte Plattform (EETS-Register) mit allen für potentielle Anbieter wichtigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Dieses Register wurde
beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG) eingerichtet.
Ab dem 9. Oktober 2010 musste das Register auch alle
rechtlichen und technisch-organisatorischen Vorgaben für
das sog. EEMD-Gebiet, d. h. das für LKW mautpflichtige
Streckennetz, sowie Informationen über die nationale Registrierungsstelle enthalten. Ferner müssen die registrierten EETS-Dienstleister mit Niederlassung in Deutschland
und die zwischen Mauterheber (BAG) und EETS-Dienstleistern abgeschlossenen Verträge ersichtlich sein. Auf
der Homepage www.bag.bund.de stehen nunmehr umfangreiche Informationen für jeden zur Verfügung.
Das BMVBS hatte mich im Vorfeld der Registereinrichtung um datenschutzrechtliche Beratung gebeten. Meine
Empfehlungen haben im Dokument 4.1 „Mauterhebung
im EETS-Gebiet ABMG und Mauttransaktionskonzept“,
abrufbar auf der Website des BAG, Eingang gefunden.
Die dort wiedergegebene ausdrückliche Erwähnung der
engen Zweckbindungsregelungen des Autobahnmautgesetzes lässt mich hoffen, dass diese durch die Öffnung des
Binnenmarktes nicht umgangen werden. Ich werde dieses
Thema weiter beobachten und gegebenenfalls mit meinen
europäischen Kollegen erörtern.
11
Gesundheit und Soziales
11.1
Gesetzliche Krankenversicherung
11.1.1
Neue Wege in der vertragsärztlichen Versorgung – neue Herausforderungen für
den Datenschutz
Ärzte, die an besonderen Versorgungsformen teilnehmen,
sind häufig auf die Hilfe privater Abrechnungsdienstleister angewiesen. Der Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten der Versicherten muss dabei gewährleistet sein.
Der Gesetzgeber hält die gesetzlichen Krankenkassen verstärkt dazu an, ihren Versicherten besondere Versorgungsformen anzubieten. Eine solche besondere Versorgungsform ist beispielsweise die „integrierte Versorgung“. Darin
arbeiten verschiedene Akteure des Gesundheitswesens gemeinsam fach- und/oder sektorenübergreifend (ambulant
und stationär) zusammen. Die „hausarztzentrierte Versorgung“ stellt eine weitere besondere Versorgungsform dar.
Sie zeichnet sich dadurch aus, dass ein Hausarzt als erste
Anlaufstelle für den Patienten sämtliche Behandlungsschritte koordiniert („Lotsenfunktion“). Die besonderen
Versorgungsformen sollen die Qualität in der medizinischen Versorgung steigern, die Transparenz erhöhen und
die Wirtschaftlichkeit verbessern.
Dabei werden bisweilen die bekannten, im Gesetz detailliert geregelten Abrechnungswege verlassen. Häufig werden sog. Selektivverträge abgeschlossen, die Inhalt und
Vergütung der Versorgung über Verträge außerhalb der
von den Kassenärztlichen Vereinigungen organisierten
Regelversorgung („Kollektivvertrag“) individuell-vertrag-
BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
lich festlegen. Vertragspartner der Krankenkassen können
vor allem Vertragsärzte und Gemeinschaften von Vertragsärzten sein. Die Teilnahme an diesen Versorgungsformen
ist sowohl für den Arzt als auch für den Versicherten freiwillig.
Als datenschutzrechtlich problematisch erweist sich, dass
die Ärzte innerhalb der vertraglich geregelten Versorgungsformen nicht auf die Kassenärztlichen Vereinigungen als abrechnende Stellen zurückgreifen können. Die
Ärzte selbst verfügen aber oftmals nicht über die für die
Leistungsabrechnung erforderliche Infrastruktur. Dies hat
zur Folge, dass die Ärzte privatrechtlich organisierte Stellen mit der Leistungsabrechnung beauftragen. Diese Vorgehensweise hat das Bundessozialgericht (BSG) in seiner
Entscheidung vom 10. Dezember 2008 (B 6 KA 37/07 R)
für unzulässig erklärt, vor allem weil bereichsspezifische
gesetzlichen Befugnisnormen für die Übermittlung der
personenbezogenen Abrechnungsdaten fehlen. Nach Auffassung des Gerichts kann die Datenübermittlung auch
nicht auf eine Einwilligungserklärung gestützt werden, da
oftmals Zweifel an der Freiwilligkeit der Abgabe der Einwilligungserklärung bestehen. Das BSG räumte dem Gesetzgeber eine Frist von sechs Monaten zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Fälle ein, in denen die
Abrechnung der erbrachten Leistungen in der Praxis teilweise bereits durch private Abrechnungsstellen erfolgte.
Der Gesetzgeber hat diese Vorgaben mit der 15. Arzneimittelrechts-Novelle vom 17. Juni 2009 zunächst vorläufig umgesetzt, indem er mit den §§ 120 Absatz 6 und 295
Absatz 1b Sätze 5 bis 8 SGB V eine befristete Rechtsgrundlage für die Abrechnung verschiedener besonderer
Versorgungsformen geschaffen hat. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens habe ich deutlich gemacht, dass
ich in der Einführung besonderer Versorgungsformen
eine sozial- und gesundheitspolitische Entscheidung sehe,
die aber datenschutzrechtlich flankiert werden muss. Dies
gelte auch für die Einschaltung privater Abrechnungsstellen. Wichtig ist mir allerdings, dass dabei das gesetzlich
vorgegebene Schutzniveau für die Verarbeitung medizinischer Daten durch private Stellen dem für Sozialdaten
geltenden Schutzniveau entspricht. Der Gesetzgeber ist
dieser Forderung nachgekommen: Die Neuregelungen
unterwerfen auch die privaten Stellen dem Sozialgeheimnis (§ 35 SGB I), sie erklären § 80 SGB X (Auftragsdatenverarbeitung) für entsprechend anwendbar und enthalten Vorgaben zur aufsichtsrechtlichen Kontrolle von
Auftraggebern und Auftragnehmern.
Auf Grundlage der Befugnis aus §§ 73b, 295 Absatz 1b
SGB V wurden mittlerweile zwischen verschiedenen Krankenkassen und Hausarztverbänden auf Landesebene (teilweise durch Schiedsverfahren) Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung geschlossen. Dabei wurden jedoch
vielfach die datenschutzrechtlichen Anforderungen nicht
hinreichend berücksichtigt. Insbesondere entsprachen die
Verträge, denen sich die Hausärzte, die an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmen wollen, unterwerfen müssen, nicht den Voraussetzungen des § 80 SGB X (vgl. auch
Nr. 11.1.2 und 2.4). Unzureichend erscheinen mir insbesondere folgenden Vertragsinhalte: