Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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Drucksache 17/5200

zulässigen Nutzung nach § 28 BDSG vorliegen (§ 28b
Nr. 2). Zudem enthält die Vorschrift gewisse Einschränkungen bei der Verwendung von Anschriftendaten, nämlich dass die Beurteilung der Kreditwürdigkeit nicht ausschließlich anhand der Wohnanschrift ermittelt werden
darf und die Betroffenen in jedem Fall bei der Nutzung von
Anschriftendaten noch vor Berechnung des Scorewerts zu
unterrichten sind (§ 28b Nr. 3 und 4). Und schließlich
muss das Scoreverfahren wissenschaftlichen Ansprüchen
genügen (§ 28b Nr. 1).

„SCHUFA-Klausel“ in der Bankenpraxis weiterhin verwendet.

Auf das Verlangen der Datenschutzbehörden hin haben
mittlerweile zwei große Auskunfteien Gutachten über diesen so genannten Wissenschaftlichkeitsnachweis vorgelegt.

K a s t e n zu Nr. 10.6

Welche konkreten Anforderungen an den Wissenschaftlichkeitsnachweis zu stellen sind, haben die Datenschutzbehörden noch nicht abschließend beurteilt. Große Schwierigkeiten bereitet insbesondere die Frage, welche
Aussagekraft die genutzten Daten unter Beachtung wissenschaftlicher Ansprüche haben müssen, damit sie tatsächlich, wie vom Gesetz gefordert, für die Berechnung
des Wahrscheinlichkeitswertes „erheblich“ sind.
Weiterhin zwischen den Auskunfteien und den Datenschutzbehörden umstritten ist die Frage, inwiefern Angaben über Alter und Geschlecht in Scorewerte einfließen
dürfen. Die Verwendung dieser Daten verstößt möglicherweise gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
(AGG), das Benachteiligungen unter anderem aus Gründen des Geschlechts oder des Alters grundsätzlich für unzulässig erklärt. Ich habe mich in dieser Angelegenheit an
das Bundesministerium der Justiz (BMJ) gewandt und um
eine rechtliche Einschätzung gebeten. In seiner Stellungnahme hat das BMJ u. a. auf § 20 Absatz 1 Satz 1 AGG
verwiesen, demzufolge für die Datengruppen des Alters
und des Geschlechts Ausnahmen von dem Benachteiligungsverbot zulässig sein können, wenn ein sachlicher
Grund für die Ungleichbehandlung vorliegt. Ob es tatsächlich, wie von den Auskunfteien vorgetragen, statistische
Unterschiede im Zahlungsverhalten von Männern und
Frauen sowie verschiedener Altersgruppen gibt, die einen
sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung nach dem
AGG darstellen können, wird weiter zu erörtern sein.
Auf die diskriminierende Wirkung der Verwendung von
Adressdaten bei der Berechnung von Scorewerten bin ich
bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht eingegangen
(vgl. 22. TB Nr. 3.4.4). Das in § 28b Nr. 3 BDSG nunmehr
vorgesehene Verbot der ausschließlichen Nutzung von
Anschriften zum Zwecke der Berechnung von Wahrscheinlichkeitswerten reicht nicht aus und läuft in der Praxis häufig leer, da die Berechnung der Scorewerte in den
seltensten Fällen allein anhand von Anschriftendaten erfolgt. Hier sehe ich noch Verbesserungsbedarf.
10.6

Schufa-Klausel: Totgesagte leben länger

Mit der Schaffung des § 28a Absatz 2 BDSG hat der Gesetzgeber für bestimmte Bankgeschäfte die bisherige
Einwilligungslösung („SCHUFA-Klausel“) durch eine
gesetzliche Grundlage ersetzt. Dennoch wird die

Mit dem durch die BDSG-Novelle I im April 2010 neu
eingefügten § 28a BDSG (vgl. Kasten zu Nr. 10.6) hat der
Gesetzgeber einen speziellen Erlaubnistatbestand zur
Übermittlung von Daten an Auskunfteien geschaffen.
Während § 28a Absatz 1 die Einmeldung von Daten über
Forderungen (Negativdaten) regelt, ist es Kreditinstituten

§ 28a Datenübermittlung an Auskunfteien
(1) Die Übermittlung personenbezogener Daten über
eine Forderung an Auskunfteien ist nur zulässig,
soweit (...)
(2)Zur zukünftigen Übermittlung nach § 29 Absatz 2 dürfen Kreditinstitute personenbezogene Daten über die Begründung, ordnungsgemäße Durchführung und Beendigung eines Vertragsverhältnisses betreffend ein
Bankgeschäft nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2, 8 oder Nr.
9 des Kreditwesengesetzes an Auskunfteien übermitteln,
es sei sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung gegenüber dem Interesse der Auskunftei an der Kenntnis der
Daten offensichtlich überwiegt. Der Betroffene ist vor
Abschluss des Vertrages hierüber zu unterrichten. Satz 1
gilt nicht für Giroverträge, die die Einrichtung eines
Kontos ohne Überziehungsmöglichkeit zum Gegenstand
haben. Zur zukünftigen Übermittlung nach § 29 Absatz 2
ist die Übermittlung von Daten über Verhaltensweisen
des Betroffenen, die im Rahmen eines vorvertraglichen
Vertrauensverhältnisses der Herstellung von Markttransparenz dienen, an Auskunfteien auch mit Einwilligung
des Betroffenen unzulässig.
Auszug aus der Gesetzesbegründung,
Bundestagsdrucksache 16/10529, S. 14 f.
§ 28a Absatz 2 Satz 1 ist ein spezieller Erlaubnistatbestand für bestimmte Übermittlungen personenbezogener
Daten über die Begründung, ordnungsgemäße Durchführung und Beendigung eines Vertrages im Rahmen eines
Bankgeschäfts im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2
(Kreditgeschäft), Nr. 8 (Garantiegeschäft) oder Nr. 9
(Girogeschäft) KWG. Diese Datenübermittlungen werden mangels spezieller Rechtsgrundlage derzeit auf eine
Einwilligung des Betroffenen nach § 4 BDSG gestützt.
Dies ist insofern problematisch, als in der Praxis eine natürliche Person einen Bankkredit regelmäßig nicht mehr
ohne eine von der Bank angeforderte Bonitätsauskunft
einer Auskunftei erhält, wobei diese mit einer Einwilligungserklärung des Betroffenen in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten an diese Auskunftei
verbunden wird. Mangels zumutbaren Alternativverhaltens kann es daher zweifelhaft sein, ob die vom Betroffenen erteilte Einwilligung noch als freiwillig anzusehen
ist. An die Stelle der Einwilligungserklärung tritt der
neue Erlaubnistatbestand in Absatz 2 (...)

BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010

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