Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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Drucksache 17/5200

– Kein Start ohne verfahrensspezifisches IT-Sicherheitskonzept
Die erweiterte zentrale Datenbank wird sehr sensible steuerliche Daten von mehr als 40 Millionen Arbeitnehmern
enthalten. Ein hoher Standard hinsichtlich der Datensicherheit muss daher spätestens mit Inbetriebnahme gewährleistet sein. Dies setzt voraus, dass ein umfassendes und vollständiges verfahrensspezifisches IT-Sicherheitskonzept vorliegt. Die Erfahrung zeigt, dass die Entwicklung von IT-Sicherheitskonzepten für Datenbanken dieses
Umfangs in zeitlicher Hinsicht einen längeren Vorlauf benötigt. Die notwendigen Arbeiten an einem IT-Sicherheitskonzept müssen unbedingt vor dem Aufbau der Datenbank abgeschlossen sein.
9.4

Schaffung eines Auskunftsrechts in der
Abgabenordnung – eine „unendliche
Geschichte“?

Das verfassungsrechtlich gebotene Auskunftsrecht der
Steuerpflichtigen gegenüber der Finanzverwaltung über
die zu ihrer Person gespeicherten Daten ist grundsätzlich
voraussetzungslos zu gewähren.
Obwohl die seit langem erhobene Forderung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder nach einer
voraussetzungslosen Gewährleistung des Auskunftsrechts
der Steuerpflichtigen (vgl. zuletzt 22. TB Nr. 9.5) durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
vom 10. März 2008 (1 BvR 2388/0) gestärkt wurde, gewährt die Finanzverwaltung den Betroffenen weiterhin
nur bei Darlegung eines „berechtigten Interesses“ Auskunft zu ihren gespeicherten Daten (vgl. Entschließung
der 77. Datenschutzkonferenz, Kasten zu Nr. 9.4). Diese
weitgehende Einschränkung des Auskunftsrechts steht in
Widerspruch zum BDSG und den Landesdatenschutzgesetzen. Der auch gegenüber der Finanzverwaltung anwendbare § 19 BDSG räumt den Betroffenen grundsätzlich einen weitreichenden Anspruch auf Auskunft ein. Das
Datenschutzrecht erkennt von vornherein ein Interesse des
Einzelnen an der Auskunftserteilung an, da andererseits
die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte der Betroffenen unverhältnismäßig verkürzt würden. Die fortgesetzte und durch eine Dienstanweisung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) bekräftigte Verweigerung der
auf Grund der Verfassung gebotenen Auskunftsrechte
habe ich daher nach § 25 Absatz 1 BDSG förmlich beanstandet.
Das BMF hat daraufhin einen Diskussionsentwurf vorgelegt, mit dem ein gesetzlicher Auskunftsanspruch in der
Abgabenordnung geschaffen werden soll. Danach sollen
die Betroffenen bereits bei Antragstellung ihr „Informationsinteresse“ an der Auskunftserteilung erläutern und die
Art der Daten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher
bezeichnen. Eine solche Verpflichtung schränkt das Recht
auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen
immer noch unverhältnismäßig ein und ist deswegen nicht
akzeptabel. Eine Präzisierung des Auskunftsinteresses
kann erst – und auch nur dann – bedeutsam werden, wenn
es zur Abwägung mit einem Gegeninteresse der Finanzverwaltung kommt. In der Entscheidung des BVerfG vom
10. März 2008 heißt es dazu ausdrücklich, dass das „Auskunftsinteresse nur dann zurückgestellt werden [darf],
wenn ein gegenläufiges Geheimhaltungsinteresse das Auskunftsinteresse im Rahmen einer Abwägung aller wesentlichen Umstände überwiegt“ (BVerfG, a. a. O., Rd. 103).
Auch der Deutsche Bundestag hat in seiner Entschließung

zu meinem 22. Tätigkeitsbericht vom 16. Dezember 2010
erneut gefordert, einen vorbehaltlosen Auskunftsanspruch
zu gewährleisten (vgl. unter Nr. 15, Anlage 5).
Gegenüber dem BMF habe ich mich deshalb für die
Schaffung einer gesetzlichen Regelung eingesetzt, die
nicht hinter dem durch § 19 BDSG gewährleisteten und
verfassungsrechtlich gebotenen Umfang zurückbleibt. Ich
erwarte von der Bundesregierung und vom Deutschen
Bundestag, dass sie endlich die datenschutzrechtlichen
Defizite in der Abgabenordnung durch eine eindeutige
Regelung beseitigen.
K a s t e n zu Nr. 9.4
Entschließung der 77. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
vom 26./27. März 2009 (Auszug)
Auskunftsanspruch der Steuerpflichtigen im
Besteuerungsverfahren gewährleisten!
…
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes
und der Länder fordert, dass das Bundesministerium der
Finanzen die Verwaltungsanweisung vom 17. Dezember
2008 unverzüglich aufhebt. Die Finanzbehörden des
Bundes und der Länder sind zu verpflichten, entsprechend der Rechtslage den Auskunftsanspruch zu erfüllen. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der
Länder appellieren zudem an den Bundesgesetzgeber,
den Auskunftsanspruch der Steuerpflichtigen durch eine
eindeutige Regelung in der Abgabenordnung klarzustellen, die dem § 19 BDSG entspricht.
9.5

Kirchensteuer auf Kapitalerträge:
Soll meine Bank wissen, welcher
Religion ich angehöre?

Das künftige Verfahren des Kirchensteuerabzugs auf Kapitalerträge muss den besonderen datenschutzrechtlichen
Anforderungen gerecht werden, die mit dem sensiblen
Merkmal der Religionszugehörigkeit verbunden sind.
Kreditinstitute sollten Kenntnis von der Religionszugehörigkeit ihrer Kunden nur mit deren Einwilligung erhalten.
Seit 2009 wird die Kirchensteuer auf Kapitalerträge als
Zuschlag zur Abgeltungssteuer erhoben. Die Steuerpflichtigen haben derzeit ein Wahlrecht, ob sie gegenüber den
Kreditinstituten einen Antrag auf Kirchensteuerabzug
stellen und ihnen zu diesem Zweck ihre Religionszugehörigkeit freiwillig mitteilen oder die Veranlagung durch das

BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010

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